Berlin - die Stadt der arbeitslosen Hedonisten

Berlin, die einzig wirkliche deutsche Metropole, hat aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht viel zu bieten. Langsamer als erhofft werden hier Filialen von Unternehmen eröffnet. Komplett-Umzüge wie der der Plattenfirma Universal von Hamburg nach Berlin sind ein Highlight und werden entsprechend hoch gehandelt. Politiker aller Couleur versuchten, Kapital in Form von Standortwerbung aus der Nachricht zu schlagen.

Im Gegensatz dazu genießt Berlin einen hervorragenden Ruf als Party-Metropole. Hier kommt jeder jederzeit auf seine Kosten. Zusätzlich zu dem täglichen Programm existieren verschiedene Großveranstaltungen wie Love Parade, Christopher Street Day oder Karneval der Kulturen, die die Clubs zu Sonderveranstaltungen veranlassen.

In letzter Zeit kursieren jedoch verschiedene Nachrichten über Clubschließungen. Der Himmel über Berlin zieht sich zu. Es kriselt im Party Geschäft. Ende Oktober ist Schluss mit Maria am Ostbahnhof. Auf dem Gelände an der Straße der Pariser Kommune sollen Wohnhäuser und Bürogebäude entstehen. Und nicht nur hier. Das "103" in der Oranienburger Straße in Mitte ist bereits geschlossen. Das "Deli" in Nachbarschaft der "Maria" wird bald Investoren weichen müssen. Das Kulturzentrum Pfefferberg macht samt seiner Clubs "Pfefferbank" und "Subground" noch vor Jahresende dicht. Der "Eimer" wurde gerade zugemacht - angeblich wegen schlechter Stromleitungen. Das Ostgut steht den Plänen für eine große Veranstaltungshalle im Weg. Unter anderem soll dort der EHC Eisbären Eishockey spielen. In eineinhalb Jahren soll hier voraussichtlich Schluss sein.

Wegen der zunehmenden Bebauung der Stadt - der Büromarkt erholt sich langsam vom derzeitigen Überangebot - wird es immer schwieriger für Clubbetreiber, eine geeignete Location zu finden. Mit zunehmender Nostalgie wird an lauen Abenden in der Stadt über die Aufbruchstimmung der Jahre nach dem Mauerfall sinniert: damals, als die Werbung für die angesagten illegalen Clubs noch über Mund-zu-Mund-Propaganda erfolgte. Damals, als nur die Insider von den neuesten (illegalen) Bars und Clubs erfuhren, und dadurch lose aber stolze Gemeinschaften bildeten. Damals kam mit der Nachricht über Schließungen gleichzeitig der Hinweis auf eine Neueröffnung. Heute sorgen wandernde Partys für Belebung im Nachtleben.
Das WMF hat durch die regelmäßigen Umzügen (die Ziegelstraße ist bereits der vierte Standort) eine erfolgreiche Taktik entwickelt. Jeder Umzug wird für eine Erneuerung genutzt und bringt frischen Wind in die PR-Maschinerie. Noch in diesem Jahr wird der Club nochmals umziehen müssen. In der Ziegelstraße in Mitte sind, wie könnte es auch anders sein, Büros geplant.

Christian Wüstner, 05.07.2001


Partystadt am Ende?
Die Berliner Clubs sterben aus