Berufsverbote und die freiheitlich-demokratische Grundordnung

Ich lese gerade die Doktorarbeit eines Freundes Korrektur, der über die Geschichte der Berufsverbote in der Bundesrepublik Deutschland schreibt. Sobald die Doktorarbeit veröffentlicht ist, werde ich hier mal einen größeren Artikel zum Thema posten. Ist schon interessant wie in der Geschichte der BRD mit dem Schlagwort der „streitbaren Demokratie“ zwischen 2000-3000 Menschen nicht zu Berufen zugelassen wurden. Von ihnen waren die meisten Lehrer (80%), andere aber auch Lokomotivführer, Briefträger und Monteure. Was mich bei der Lektüre aber am meisten erstaunt hat, ist wie wenig Befugnisse damals – vor allem vor den Notstandsgesetzen – der Verfassungsschutz und andere Behörden hatten. Im Vergleich zu heute waren das freiheitliche Traumzustände. Das letzte Berufsverbot wurde im Übrigen gegen einen Lehrer aus Heidelberg 2004 erlassen. Er war Mitglied einer Antifaschistischen Initiative gewesen und wollte sich (nach 12 Jahren Überwachung durch den Verfassungsschutz) nicht von seiner politischen Arbeit distanzieren. Das Berufsverbot gegen ihn wurde 2007 aufgehoben.

9 Kommentare

  1. Nick says:

    Könntest Du ihn vielleicht um eine Quelle bitten für die o.g. Zahl? ich würds gern genauer wissen, in der Wikipedia steht was von ca. 1100…

  2. John F. Nebel says:

    Hallo Nick, ich leite ihm Deine Anfrage mal weiter. Vielleicht kann er hier antworten.

  3. nike says:

    nick: es gibt keine offiziellen zahlen. was zum einen daran liegt, dass nicht offiziell gezählt wurde, zum anderen daran, dass es sehr schwierig ist, aus der vielzahl der bekannt gewordenen fällen abzuleiten, was man denn nun als berufsverbot bezeichnen kann und was nicht. die einstellungsbehörden oder der verfassungsschutz hatten jedenfalls besseres zu tun als sich mit derlei fragen auseinander zu setzen. die machen. was dabei herauskommt und wie man es bezeichnet, ist ihnen egal. ich als historiker kann auch nur gucken was passiert. leute zum beispiel, die zehn jahre um ihre anstellung gekämpft haben und dann doch eingestellt wurden (meist als angstellte, nicht wie üblich als beamte), wie wären die zu zählen? das war natürlich ein berufsverbot, zehn jahre lang, aber was war das danach? weniger geld und streikrecht. wie man das nennt, weiß ich nicht.

    die zahl, die ich genannt habe, gehört zu den inoffiziellen zahlen. da gibt es zum einen die in die zehntausenden gehende angaben der dkp-nahen inititiativen. hier wird wirklich jede politische disziplinierung mitgezählt, jeden stress am arbeitsplatz, dem die initiative gewahr wurde. ich finde es richtig, all diese dinge festzuhalten, denn sie (und nicht die vollzogenen weil letztinstanzlich abgesegneten berufsverbote) charakterisieren die situation in den siebziger jahren.

    zum anderen gibt es die zahlen von einer freiburger linksradikalen initiative, die akribisch pressemeldungen ausgewertet hat (und deren richtigkeit ich in meiner arbeit nicht überprüfen kann, weil es mir nicht um die zahlen geht) und die unveröffentlichte habil von eckart jesse, der aufgrund der ihm von den innenministerien gelieferten daten auf ganz ähnliche zahlen kommt, obwohl er sie als ‚extremismusforscher‘ natürlich ganz anders interpretiert.

    wie dem auch sei: die diss macht meiner ansicht sehr viele dinge die ’stretbare demokratie‘ und ihre mechanismen betreffend klarer – genaue zahlenagaben kann auch sie nicht liefern. dafür müsste man regional- und lokalstudien haben. und einen zugriff zu verfassungsschutz-akten, den noch nicht mal jesse hatte.

    du kannst dir die unter einem pseudonym veröffentlichte freiburger studie ja mal anschauen: manfred histor, willy brandts vergessene opfer.

  4. nike says:

    john: wie gesagt, es geht nicht um die zahlen. wer schön rechtsstaatlich denkt, wird sagen: erst wenn ein berufsverbot vom bverwg oder bverfg oder bag abgesegnet wurde, isses auch wirklich eins. das haben die wirklich gemacht, zum beispiel wenn krititk aus dem ausland kam. wer nicht bis karlsruhe geht, hat was zu verbergen sozusagen und kein anrecht auf kritik. all die leute, die zu zwei anhörungen geladen wurden und den hanseln dort die geschichte vom pferd erzählt haben oder im gegenteil die von mao oder ihrem antifaschistischen opa, und deshalb rausgeworfen wurden oder im gegenteil drin bleiben konnten, sind sind mit den zahlen nicht erfasst. aber um die muss es gehen. finde ich.

  5. Nick says:

    Hatte das mit den zehntausenden hatte ich nämlich auch mal gehört und war dann bei der Google-Recherche neulich überrascht wie wenig „wirkliche“ Berufsverbote es gab. Danke für die Aufklärung.

    John: Wenns nicht nervt, könntest du ja Bescheid geben, wenn du mehr schreibst.

  6. Nick says:

    – „hatte ich“ :)

  7. Finke-dettmer, Barbara says:

    Hallo John. Interessiere mich nach langer Zeit wieder für das Thema Berufsverbote als Teil meiner eigenen Geschichte. Würde gerne Portraits von ehemaligen Betroffenen schreiben, auch unter dem Aspekt, wie sie die Sache heutzutage sehen wie dieser Erlass ihren Lebensweg bestimmt hat usw. Ist die Promotion deines Freundes jetzt schon veröffentlicht? Wenn, ja, schreib mir bitte, wo. Bin zufällig auf deinen Artikel gestoßen. Gruß Barbara

  8. Orxan says:

    sagt:Meine zwei hießen bzw. heißt der eine ioremnmch so: Tommy und Timmy.

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