Überblick: Internetzensur via Jugendmedienschutz

Kindernet
Der neue Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (hier das PDF) ist in seiner jetzigen Form ein Einfallstor für Netzzensur. Wir wollen hier mal einen Überblick über das Gesetzesvorhaben der Länder und den Stand der Diskussion geben. Viele der Bedenken kann man in der Stellungnahme des AK Zensur nachlesen. Der Internet Service Provider 1&1 in seinem Blog unter dem drastisch-angemessenen Titel „Das Ende der freien Kommunikation im Internet“:

Der Entwurf gibt nun aber zu der begründeten Sorge Anlass, dass Host- und Access-Provider zur Überwachung und Filterung der Daten verpflichtet werden sollen, die sie für Dritte speichern bzw. zu denen sie lediglich den Zugang zur Nutzung vermitteln. Dies spiegelt sich in diversen Vorschriften des Änderungsvorhabens wieder. Im Namen des Jugendmedienschutzes könnte es daher mit dem JMStV-E zu einem Paradigmenwechsel kommen, der die freie Kommunikation im Internet in Frage stellt. Die Verpflichtungen, die ohne jede Abstufung nach Zugriffsmöglichkeiten auf Angebote vorgesehen sind, würden faktisch den Aufbau einer Filterinfrastruktur für das gesamte Internet erfordern.

Thomas Stadler sieht Deutschland mit der vorgesehene Verpflichtung technischer Dienstleister auf dem Weg nach China:

Gerade die sich deutlich verstärkende Tendenz, technische Dienstleister als Hilfsorgane zur Kontrolle von Inhalten heranzuziehen, geht zwangsläufig mit einem massiven Eingriff in technische Normen und einer Manipulation technischer Standards einher. Dieses Konzept des Sperrens und Filterns unterscheidet sich sachlich sehr wenig von dem der Chinesen.

Kristian Köhntopp fasst daneben noch sehr wichtige Problemfelder zusammen, die in der bisherigen Diskussion untergegangen sind:

  • Die Publikation von kostenlosen, kooperativ erzeugten freien Inhalten wird aufwendiger.
  • Es wird die Überwachungs- und Zensurinfrastruktur legitimiert, die schon im Rahmen der Zensursula-Diskussion gewünscht wurde.
  • Das ganze wird am Ende ein Muster-Anwendungsfall für den elektronischen Personalausweis, der notwendig wird, um sich beim Provider und beim Site-Betreiber für den Internet-Zugang und den Inhaltszugriff zu legitimieren und die Bedarfsträger können endlich mit Identitäten statt IP-Nummern operieren, wenn sie ermitteln wollen.
  • Mit diesen Identitäten lassen sich auch Meldungen und ihre Weitergabe ausgezeichnet tracken, sodaß wir auch eine technische Basis für den Verteilschlüssel der Einnahmen aus dem neuen Leistungsschutzrecht haben.
  • Im Netz gibt es große Einigkeit, dass dieser Entwurf vom Tisch muss. Der Widerhall auf das Vorhaben ist groß (u.a. Netzpolitik, Nerdcore, Ingo Jürgensmann, FreieWelt.net) und es herrscht Einigkeit, dass dieses Gesetzesvorhaben so auf keinen Fall umgesetzt werden darf. Mal sehen, ob die Bundesregierung Lust auf eine zweite Zensursula-Welle hat, denn dieser Entwurf ist für die Freiheit im Netz mindestens genauso schlimm wie das so genannte Zugangserschwerungsgesetz.

    Bild: http://twitpic.com/108j2l

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