Analyse des geleakten CIA-Papiers zur PR-Strategie in Afghanistan

237px-wikileaks_logo-svg-thumb-237x547-1.pngGestern hat Wikileaks ein geheimes Memorandum der CIA veröffentlicht, das Einschätzungen zur öffentlichen Meinung in Deutschland und Frankreich gibt und möglichen PR-Strategien empfiehlt, die den Afghanistan-Einsatz unterstützen. Das Dokument stammt vom 11. März und ist hier als PDF erhältlich.

Ausführlicher haben sich bislang Gulli und Fefe mit dem Papier beschäftigt. Nach dem Rückzugsbeschluss der Niederlande, sucht die CIA nach möglichen Strategien in der Informationspolitik mit der Deutschland und Frankreich besser an den Afghanistan-Krieg gebunden werden sollen. Das Dokument richtet sich ausdrücklich nur an US-amerikanische Leser: es ist als „Classified / No Foreign Nationals“ gekennzeichnet.

Zur Ausarbeitung wurden PR-Strategen herangezogen:

The Red Cell invited a CIA expert on strategic communication and analysts following public opinion at the State Department’s Bureau of Intelligence and Research (INR) to consider information approaches that might better link the Afghan mission to the priorities of French, German, and other Western European publics.

Das Dokument weist darauf hin, dass das mangelnde öffentliche Interesse („Public Apathy“) es den Regierungen Merkel und Sarkozy erlaube, die Wähler trotz hoher Ablehnung des Afghanistan-Krieges zu ignorieren. Es wird darauf hingewiesen, dass Todesfälle auf französischer, deutscher und ziviler afghanischer Seite schnell einen Umschwung der Meinung bewirken könnten:

If some forecasts of a bloody summer in Afghanistan come to pass, passive French and German dislike of their troop presence could turn into active and politically potent hostility. The tone of previous debate suggests that a spike in French or German casualties or in Afghan civilian casualties could become a tipping point in converting passive opposition into active calls for immediate withdrawal.

Dabei schätzt die CIA die Verpflichtungen der beiden Länder gegenüber der NATO zwar als Schutz gegenüber einem schnellen Rückzug an. Besonders in Wahlkämpfen seien die Regierungen Deutschlands und Frankreichs nicht bereit, den politischen Preis einer Truppenaufstockung zu bezahlen.

Interessant ist folgende Einschätzung:

French and German leaders have over the past two years taken steps to preempt an upsurge of opposition but their vulnerability may be higher now…

Welche präventiven Maßnahmen könnten hier genau gemeint sein? Klar ist, warum die Verwundbarkeit (vulnerability) in Deutschland gestiegen ist: der Kunduz-Luftschlag bei dem dutzende Zivilisten starben und der die Regierung und Minister unter Druck gesetzt hat. Darüber hinaus würden die NRW-Landtagswahlen eine Truppenaufstockung schwieriger machen.

Durchaus interessant ist, dass nach Meinung der CIA Franzosen auf Flüchtlinge und Zivilisten fixiert seien, während die Deutschen mit den Kosten und der Grundlage („Was machen wir da überhaupt?“) argumentieren würden.

Folglich sind die PR-Empfehlungen etwas unterschiedlich. Im Fall der Franzosen empfiehlt das Papier:

  • Highlighting Afghans’ broad support for ISAF could underscore the mission’s positive impact on civilians. About two-thirds of Afghans support the presence of ISAF forces in Afghanistan, according to a reliable ABC/BBC/ADR poll conducted in December 2009. According to INR polling in fall 2009, those French and German respondents who believed that the Afghan people oppose ISAF—48 percent and 52 percent, respectively—were more likely than others to oppose participation in the mission.
  • Conversely, messaging that dramatizes the potential adverse consequences of an ISAF defeat for Afghan civilians could leverage French (and other European) guilt for abandoning them. The prospect of the Taliban rolling back hard-won progress on girls’ education could provoke French indignation, become a rallying point for France’s largely secular public, and give voters a reason to support a good and necessary cause despite casualties.
  • Dieses Argumentationsmuster kennen wir allerdings auch von CDU, SPD, FDP und Grünen: Dass die Afghanen mehrheitlich den Einsatz der ISAF-Truppen unterstützen würden, hat man hier auch schon gehört. Auf der anderen Seite wird die deutsche Politik nicht müde zu betonen, dass ein Abzug die Taliban stärken und letztlich den Menschen in Afghanistan mehr schaden würde. So sagte zum Beispiel die Grünen-Politikerin Anna Lührmann in der Süddeutschen: „Man kann sich aber auch schuldig machen, wenn man dagegen stimmt. Wer sich enthält, muss auch verantworten können, was dann geschähe, wenn deutsche Soldaten nicht länger die Sicherheit im Norden Afghanistans gewährleisten.“ Niels Annen von der SPD vertritt praktisch beide PR-Empfehlungen in diesem Text. Diese Art der PR ist schon länger bei uns angekommen, insofern halte ich die Empfehlungen der CIA für Frankreich eher für trivial.

    Für Deutschland empfiehlt das Papier folgendes:

    Germans Worried About Price And Principle Of ISAF Mission. German opponents of ISAF worry that a war in Afghanistan is a waste of resources, not a German problem, and objectionable in principle, judging from an INR poll in the fall of 2009. Some German opposition to ISAF might be muted by proof of progress on the ground, warnings about the potential consequences for Germany of a defeat, and reassurances that Germany is a valued partner in a necessary NATO-led mission.

  • Underscoring the contradiction between German pessimism about ISAF and Afghan optimism about the mission’s progress could challenge skeptics’ assertions that the mission is a waste of resources. The same ABC/BBC/ADR (sic!) poll revealed that 70 percent of Afghans thought their country was heading in the right direction and would improve in 2010, while a 2009 GMF poll showed that about the same proportion of German respondents were pessimistic about ever stabilizing Afghanistan.
  • Messages that dramatize the consequences of a NATO defeat for specific German interests could counter the widely held perception that Afghanistan is not Germany’s problem. For example, messages that illustrate how a defeat in Afghanistan could heighten Germany’s exposure to terrorism, opium, and refugees might help to make the war more salient to skeptics.
  • Emphasis on the mission’s multilateral and humanitarian aspects could help ease Germans’ concerns about waging any kind of war while appealing to their desire to support multilateral efforts. Despite their allergy to armed conflict, Germans were willing to break precedent and use force in the Balkans in the 1990s to show commitment to their NATO allies. German respondents cited helping their allies as one of the most compelling reasons for supporting ISAF, according to an INR poll in the fall of 2009.
  • Hier wird auch auf die BBC/ARD-Umfrage hingewiesen, die beweisen soll, dass die Afghanen mehrheitlich den Einsatz der ISAF positiv sehen. An dieser Umfrage gibt es Kritik aus der Friedensbewegung und wer jemals in einer PR-Agentur gearbeitet hat, weiß wie einfach Umfragen manipulierbar sind. Hier kann durch unterschiedliches Stellen von Fragen und Suggestion viel getan werden, um gewünschte Ergebnisse zu bekommen. Ich will das ARD und BBC nicht vorwerfen, denn ich habe das Design der Umfrage nie gesehen.

    Die zweite Empfehlung „Verliert die NATO in Afghhanistan, sind die Deutschen mehr dem Terrorismus, dem Opium und Flüchtlingsströmen ausgeliefert“ ist mir in der Berichterstattung und in Politikermeinungen zu Afghanistan bislang recht wenig über den Weg gelaufen. (Wer hier etwas anderes findet, bitte melden.)

    Die dritte Empfehlung wird in Deutschland ja schon umgesetzt: Betonung der humanitären Schwerpunkte und multilaterialer Verpflichtungen. Diese beiden Komponenten finden sich seit Beginn in allen kriegsbefürwortenden Aussagen. Das zieht sich wie ein roter Faden durch die Debatte und wird insbesondere bei Verlängerung des Mandats und der Aufstockung von Truppen („Bündnisverpflichtung“) immer wieder hervorgeholt.

    Schön geht es weiter im Dokument, die USA sollten die Obama-Karte spielen, weil die Menschen ihm in Frankreich und Deutschland vertrauen:

    Appeals by President Obama and Afghan Women Might Gain Traction
    The confidence of the French and German publics in President Obama’s ability to handle foreign affairs in general and Afghanistan in particular suggest that they would be receptive to his direct affirmation of their importance to the ISAF mission—and sensitive to direct expressions of disappointment in allies who do not help.

    Zu guter Letzt empfiehlt das CIA-Papier eine weitere altbekannte Strategie:

    Afghan women could serve as ideal messengers in humanizing the ISAF role in combating the Taliban because of women’s ability to speak personally and credibly about their experiences under the Taliban, their aspirations for the future, and their fears of a Taliban victory. Outreach initiatives that create media opportunities for Afghan women to share their stories with French, German, and other European women could help to overcome pervasive skepticism among women in Western Europe toward the ISAF mission.

  • According to INR polling in the fall of 2009, French women are 8 percentage points less likely to support the mission than are men, and German women are 22 percentage points less likely to support the war than are men.
  • Media events that feature testimonials by Afghan women would probably be most effective if broadcast on programs that have large and disproportionately female audiences.
  • Afghanische Frauen sind für die CIA „ideale Botschafter um die ISAF zu humanisieren“. Sie sollen zeigen, dass ein Rückzug/ Niederlage der NATO die Frauen am Härtesten trifft. Um afghanische Frauen medial zu platzieren, empfiehlt die CIA die „Kreation von Medienevents“, bei denen afghanische Frauen deutschen und französischen ihre Geschichte erzählen können. Ziel solcher Aktionen ist es, die große Ablehnung des Krieges in der weiblichen Bevölkerung der westlichen Staaten zu brechen. Auch dies ist nichts neues. Von Anfang an wurde der Afghanistan-Krieg massiv mit Frauenrechten begründet, neu ist vielleicht der Ansatz dies medial zu forcieren.

    Insgesamt finde ich die Lageeinschätzung und PR-Empfehlungen der CIA wenig überraschend, gehören sie doch schon zum täglichen Arsenal der Befürworter eines Afghanistan-Einsatzes. Interessant bleibt die Beobachtung der PR- und Medienaktivitäten in dieser Hinsicht. Das Dokument schult den Blick auf die Art und Weise, wie Kriege verkauft werden.

    6 Kommentare

    1. NB says:

      Das hier…

      that a spike in French or German casualties or in Afghan civilian casualties could become a tipping point in converting passive opposition into active calls

      …macht mir eigentlich Sorgen! Wenn, wie von der CIA vermutet, höhere Opferzahlen des „blutigen Sommers“ einen Meinungsumschwung bewirken sollen, dürften wohl bereits Szenarien entwickelt werden, damit die hohen Opferzahlen auch erreicht werden.

      Wie bezeichnet man „friendly fire“, wenn es absichtlich passiert?

    2. Ari Bey says:

      @NB

      Das Zitat bezieht sich doch aber darauf, dass höhere Opferzahlen zur Transformation passiver in aktive Opposition GEGEN den Krieg führen können. Genau lesen hilft gegen Verschwörungstheorie ;)

    3. John F. Nebel says:

      Eben. Da steht: mehr Opfer, mehr Opposition gegen Krieg. Alles andere macht ja wenig Sinn.

    4. NB says:

      Mea culpa! Ihr habt natürlich recht! Da haben meine Synapsen zu schnell verzweigt… ;-)

    5. BN says:

      Meine Synapsen sagen mir, das man Zustimmung in der Bevölkerung erlangen muss. Da in Deutschland die Frage im Raum steht warum sind wir dort!

      Da ich der USA und der CIA so einiges zutraue, wäre es denkbar das daran gearbeitet wird den Rückenhalt der Bevölkerung in Deutschland zu erlangen.

      Und es würde mich auch nicht wundern wenn die Zustimmung seitens der Bevölkerung in Deutschland durch einen Provozierten Anschlag durch USA Geheimdienste in Deutschland hervorgerufen würde. Der dann natürlich seinen Ursprung in der Achse des Bösen tragen wird!

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    1. Womblog

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