Dads are parents too

Dads are parents too

Als ich am Wochenende am Bodensee auf einer Hochzeit war, wurde ich wieder einmal mit jener Fassungslosigkeit konfrontiert, die mir schon vorher oft begegnet war. Und auf die ich eigentlich auch nur fassungslos reagieren kann. Die Gespräche laufen immer gleich ab:

Er oder Sie: „Und habt Ihr schon einen Krippenplatz oder ist Deine Frau mit dem Kleinen noch zuhause?“

Ich: „Ich bin mit dem Kleinen zuhause.“

Er oder sie [kurz über eine eventuelle Arbeitslosigkeit meinerseits rätselnd und anschließend fragend]: „Bist Du in Elternzeit?“

Ich: „Ja. Wir haben uns das geteilt. Ich habe die zweiten 6 Monate übernommen und fange dann Mitte September wieder zu arbeiten an.“

Jetzt kommt es bei diesen Gesprächen immer zu geschlechtsspezifischen Weiterverlauf. Redet man mit einem Mann, wird es oft kumpelhaft-und-ich-nehm-dich-jetzt-nicht-nehr-für-voll-mäßig. Oder die Kerle reden sich raus.

Er: „Ich hätte das auch sehr gerne gemacht, aber ich bin im Job zu eingespannt.“ [Als ob ich nicht im Job eingespannt wäre]

Wirklich interessieren, warum ich das gemacht habe und wieso das eine tolle Sache ist, tut sich keiner. Aber das ist in meinem Freundeskreis leider auch nicht anders.

Interessanter Weise zeigen sich die Frauen (die es genauso wenig fassen können, dass Männer tatsächlich einen equal share in der Anfangsbetreuung des Kindes übernehmen) oft sichtlich positiv beeindruckt:

Sie: „Echt? Und ganze 6 Monate?“

Ich: „Sogar 7. Direkt nach der Geburt habe ich einen Monat Elternzeit genommen.“

Sie: „Das ist bestimmt schwierig gewesen mit deinem Arbeitgeber.“

Ich: „Nein. Wir haben ein gutes Verhältnis und wir haben gut auf den Zeitpunkt hingearbeitet. Ich glaube, dass man das einfach nur wirklich wollen muss. Mit einer guten Vorbereitung ist das zu schaffen.“

Vielleicht klingt das für Nicht-Eltern alles ein bisschen komisch. Aber ich bin tatsächlich geschockt davon, dass ich als Vater mit einer Elternzeit, die über die üblichen (wenn überhaupt) 2 Monate hinausgeht, meine Umwelt sogar innerhalb Berlins mehr schocken kann, als wenn ich mir das Gesicht tätowieren lassen würde. Naja, vielleicht nicht ganz so, aber fast.

Dabei ist es meiner Meinung nach nicht nur eine tolle, irgendwie fast frei zur Verfügung stehende Zeit, die einem da ermöglicht wird. Denn wer die Herausforderung „Vollzeit-Papa“ gemeistert hat, liefert damit auch stichhaltige Beweise für Fähigkeiten, die jeder Managerjob voraussetzt: Arbeiten unter Stress, hohe Belastbarkeit, hohe Flexibilität. Anerkannt wird das auf dem Arbeitsmarkt bisher nicht. Und gesellschaftlich anscheinend auch nicht. Daran sollte sich was ändern. Mehr Väter in Elternzeit wäre ein guter Schritt in die richtige Richtung.

Foto: CC-BY ff137

8 Kommentare

  1. John F. Nebel says:

    Deine Erfahrungen zeigen, wie eingefahren diese ganze Geschlechtergeschichte noch ist. Vornerum sind wir alle so aufgeklärt und emanzipiert – und wenn es darauf ankommt, gelten die alten Rollenmuster. Ich finde Eure Aufteilung der Elterzeit toll!

  2. rr says:

    Das Unverständnis der Umwelt um das väterliche kümmern wird nach der Elternzeit nicht enden. Ich habe als alleinerziehender eine Vielzahl dieser Erfahrungen gemacht. Am unangenehmsten ist mir aufgefallen, dass Väter nicht ernst genommen werden, wenn es um Kinderbelange in Kita oder Schule geht. Das ist in einem gewissen maß auch nachvollziehbar, weil ein Großteil der Väter nicht einmal die Kleidergröße ihrer Kinder kennen.

    Es wäre zweifellos bereichernd, würden Väter mehr Verantwortung in der Familie übernehmen. Verordnen lässt sich das nicht. Wichtig wäre, die passenden Rahmenbedingungen für gleichberechtigte Handlungsspielräume zu schaffen.

  3. John F. Nebel says:

    Wir sollten in dieser Diskussion nicht aus den Augen verlieren, dass es die Frauen sind, die durch die festgelegten Geschlechterrollen deutlich mehr Nachteile bekommen als die Männer. In der Regel sind sie es deren Karriere leidet usw. Und der Regelfall ist die alleinerziehende Mutter, nicht der Vater. Und da hat der Vorredner absolut Recht, wenn er gleichberechtigte Handlungsspielräume fordert, die gegen das Männerbild des alleinigen Ernährers wirken.

  4. Lou Canova says:

    Das mit den Geschlechterrollen stimmt natürlich. Und bestimmt führt die systemische Benachteiligung der Frauen dazu, dass sie selbst nicht mehr bei ihren Männern eine gleichberechtigte Beteiligung einfordern. Ich fasse die Situation mal so zusammen: Es gibt viele Männer, die es als Zeichen für Schwäche sehen, wenn Väter mehr als 14 Tage für ihr Kind zuhause bleiben. Entsprechend gibt es auch viele Arbeitgeber, die das nicht cool finden (Chefs sind ja auch meist männlich). Und letztlich gibt es viele Frauen, die aufgeben oder nie dafür gekämpft haben, ihre Typen entsprechend in die Pflicht zu nehmen. In Skandinavien wirst Du übrigens komisch angeguckt, wenn Du als Vater nicht in Elternzeit gehst – und das bei durchschnittlich drei Kindern! Eine Freundin von mir arbeitet übrigens im Europaparlament an einem entsprechenden euroapweit gültigenEntwurf, der zumindest eine Art Vaterschutz nach der Geburt für 14 Tage ermöglichen soll. Bislang kriegt man ja per Gesetz hierzulande einen einzigen Tag frei bei der Geburt eines Kindes.

  5. heute & morgen says:

    wir finden es ja irgendwie „normal“, wie du das angegangen bist lou.

    wann kommt die gesichtstätowierung?

    h&m

  6. Lou Canova says:

    Mit dem zweiten Kind.

  7. do says:

    Ich muss (leider) rr Recht geben, meine Erfahrungen aus 6 Jahren hälftiger Erziehnung:

    – Frau fragen einen unter der Woche auf dem Spielplatz, ob man arbeitslos sei, Ferien habe oder die Kindsmutter krank sei.

    – Kunden reagieren irritiert, wenn man vermeidbare Termine nach 16:30 ablehnt, da der Hort dann zu macht.

    – Behörden verschicken zwar gerne Kostenbescheide, sind aber perplex wenn der Vater Anträge auf Schulwechsel oder ähnliches stellt.

    – Die Schule ist über die Angabe von zwei Wohnsitzen des Kindes (Mutter und Vater) arg verwundert. Da braucht’s schließlich zwei spalten in der Telefonliste.

    – Menschen, die einen auf Partys kennenlernen, fragen nach 3 Bier „machst du das eigentlich freiwillig?“

    – Neue Nachbarn schauen verwundert, wenn man mit Kind und dessen Freunden in den Flur stürmt, erklärt gleich noch was zu kochen und nicht ausschaut wie ein Öko-Softie oder Au Pair Boy.

    Manchmal fragt man sich schon, in welchem Jahrhundert wir leben, zumal wenn einem solche Dinge schon in Metropolen wie Berlin passieren.

    Vorschlag: Lasst uns die Erlebnisse sammeln und einen schönen Daddy Kurzgeschichtensammelband daraus machen

  8. björn says:

    Ich finde eurer Aufteilung der Eltenzeit super. Bei uns im Freundeskreis ist es vermhert spürbar, dass sich die eingefahrene Geschlechterrollen langsam lösen und auch ein paar Männer in Elternzeit gehen. Eigentlich traurig, das das so „ungewohnt“ und unnüblich für viele ist. Ich nächstes Jahr Vater und möchte auch unbedingt in Vaterkarenz gehen – und das geplant, gewollt und stolz.

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