Cashpoint bleibt: Gentrifizierung in Kreuzkölln

Gentrifizierung und vor allem ihre Gegner gehen manchmal seltsame Wege. Zum Beispiel in Neukölln. Dort boomt im Dreieck zwischen Landwehrkanal, Kottbusser Damm und Hermannplatz – aka Kreuzkölln – die kreative Szene mit all ihren üblichen Auswüchsen wie Gallerien, Bars, Ladenbüros etc. Wer genau hinschaut wird sehen, dass es sich dabei oft um ziemlich prekäre Kollektive handelt, die keinesfalls Teil einer Finanzelite sind und die Mieten in die Höhen treiben. Das sind andere. Und die drängen zunehmend nach Kreuzkölln, der kreativen Atmosphäre und der tollen Szene wegen. Der große ganze Bezirk steigt weiter ab, ein kleiner Teil boomt.

Als Einwohner des benachbarten Kreuzbergs, in dem es sehr viel ruhiger zugeht, ist die rasante Entwicklung auf der anderen Kanalseite schon faszinierend anzuschauen. Vor allem, weil diejenigen, die dort gerade für den Boom sorgen, oft nur notgedrungen nach Neukölln gezogen sind – weil sie in Kreuzberg keine Wohnung gefunden haben. Auch der Name Kreuzkölln ist ja auch Ausdruck einer Hoffnung, nicht in Neukölln (wenigstens nicht so richtig) zu wohnen.

Bei einer meiner Kiezpatroullien durch die Sanderstraße bin ich nun an einer Graffiti vorbeigelaufen, die mich wirklich stutzig gemacht hat: „Cashpoint bleibt!“. Zum Hintergrund: An der Ecke Hobrechtstraße war bis vor kurzem das Wettbüro „Cashpoint“, Typus Geldwäsche aller Art. Seit einigen Wochen ist der Cashpoint zu, die BMWs und Mercedes-Karren parken nun anderswo in Neukölln in zweiter Reihe. Stattdessen wird er Laden renoviert von jungen, kreativen Leuten, die mit Sicherheit was Cooles machen werden. Und das scheint nicht von allen gerne gesehen zu werden. Cashpoint bleibt: Die Gentrifizierungsgegner gehen nun also ganz nah an die Wurzel des Stadtumbauübels. Nicht die Carlofts sind das Problem oder die grundsanierten Eigentumswohnungen. Das alles sind anscheinend nur die Auswirkungen des ersten Schritts, wenn aus Problemkiez ein kreativer Kiez wird bzw. werden kann. Und genau hier steige ich aus und verstehe das alles nicht mehr. Um eine eventuelle Entwicklung a la Kollwitzplatz zu verhindern, soll der Kiez niemals schöner werden? Lieber Leerstand, Wettbüros, Spielotheken, Spätis, Dönerläden? Dieser Logik folgend dürfte auch keine Häuser mehr besetzt werden, denn die Hausbesetzungen sind ja oft der wirkliche Anfang der Gentrifizierung.

Ich denke folgendes: Ein lebenswerter Kiez muss doch irgendwie möglich sein, ohne das sofort der Investor vor der Türe steht. Ich habe natürlich auch keinen Bock auf steigende Mieten – deshalb wohne ich ja in Kreuzberg. Spaß beiseite: Wenn ich an den Laternen hier Zettel sehe, wo drauf steht: „Suche Wohnung hier im Kiez, 85m2, bis 900 Euro warm“, dann dreht sich mir der Magen um. Aber es muss einen Weg dazwischen geben. Ohne Carlofts, aber mit der netten Bar um die Ecke und einem Restaurant, wo man bezahlbar gut essen kann. „Cashpoint bleibt!“ kann nicht die Lösung sein. Echt nicht.

2 Kommentare

  1. egal says:

    Gibt es auch ein Foto von „Cashpoint bleibt“?

  2. Lou Canova says:

    Irgendwie ist mir das verloren gegangen. Hatte eins gemacht, aber finde es nicht mehr. Versuche, nochmal eins zu machen.

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