RTL Explosiv erfindet Aussagen in Bericht über Wohnungsproteste


In der Sendung vom 5. Oktober hat die Redaktion von RTL Explosiv in einem Beitrag über Wohnungsproteste in Berlin (Metronaut berichtete) Aussagen der Aktivisten frei erfunden – und darüber hinaus ein Beispiel geliefert, wie investigative Recherche garantiert in die Hose geht.

Metronaut liegt der gesamte Mailverkehr zwischen den Protestlern und der RTL-Explosiv Redaktion vor:

Schon am 5. September hatte die zuständige RTL-Redaktion (infonetwork.de) bei den Aktivisten angefragt, ob sie bei einer Aktion dabei sein dürften. Am 10. September antworteten die Aktivisten der Redaktion:

(…) Wir können gerne über eine Berichterstattung über die Nacktaktionen gegen Mietwucher reden. Wir würden vorab gerne wissen, welche Art von Story Sie planen und wie sie sich das vorstellen. (…)

Am gleichen Tag antwortete RTL, dass man dies lieber telefonisch bespreche.

Luther Blisset, wie sich einer der Aktivisten der nackten Wohnungsproteste nennt, zu Metronaut: „Wir kamen nach dieser Mail zum Entschluss, dass RTL Explosiv nicht das richtige Medium ist, weil wir uns bei dieser Sendung nicht sicher sein konnten, dass hier ein ernsthafter Beitrag bei rauskommt, der unser Anliegen in einem richtigen Licht erscheinen lässt.“ Infolgedessen meldeten sich die Wohnungsdemonstranten nicht mehr bei der Redaktion.

Am 5. Oktober um 12:08 Uhr meldete sich dafür eine „Michelle“ (mit der Mailadresse @infonetwork-extern.de) bei den Aktivisten. In der wohl miserabelst getarnten Investigativrecherche des Jahres fragte sie:

Hi!
Ich will dabei sein bei der nächsten Aktion… Ich finde eure bewegung super und die message dahinter. Nackt wohnungen besichtigen um die Preise zu drücken ist eine lustige und vorallem friedliche demonstration die wie ich lesen konnte auch früchte trägt.
Wie kann ich dabei sein? Wann findet die nächste aktion statt? muss ich mich anmelden oder einfach vorbeikommen?

Eine Minute vor dieser Anfrage hatte ein anderes Redaktionsmitglied (wieder mit der Mailadresse infonetwork.de) bei den Aktivisten angekündigt, dass man schon am Abend des 5. Oktober einen Beitrag senden würde. In dieser Mail wurde erneut Gesprächsbedarf angekündigt.

Am Abend lief dann die Sendung (Beitrag ab Minute 15) mit Material, das die Redaktion auf youtube gefunden hatte. Im Beitrag wurde gesagt:

Mehrfach haben wir die Nackttänzer um ein Interview gebeten, das haben sie aber abgelehnt. Über das Internet teilt uns ein Aktivist stattdessen mit. Zitat: Es geht weniger darum, blöden Medien Interviews zu geben, (…) als konkret die Interessenten davon abzuhalten, die überteuerten Mieten zu zahlen. Und die Makler zu nerven. Und das klappt und ist lustig.

Problem dabei ist: die Aktivisten haben diesen Satz nie gesagt, gemailt oder sonstwie „über das Internet“ mitgeteilt. Er stammt aus der Feder der Redaktion – und ist damit eine Erfindung.

Nicht nur hatten die Aktivisten niemals von „blöden Medien“ gesprochen; das Zitat setzt ihre Aktionen auch in einen falschen Kontext. Nach Aussagen der Wohnungsbesichtigungsnackttänzer geht es eben nicht darum, Makler zu stören oder zu ärgern, sondern konkret auf die stark steigenden Mietpreise in Berlin hinzuweisen. Dazu nutzen sie gerade eben auch Medien.

Das ist nur eine kleine Story über einen Fehltritt einer Boulevard-Redaktion, aber ein schönes Beispiel dafür, wie Journalismus nicht gemacht werden sollte.

5 Kommentare

  1. Leser says:

    Das erinnert an die üblichen redaktionellen Glanzleistungen, z.B. http://fahnenflucht.blogsport.eu/2010/06/30/jens-und-die-antideutschen/

  2. rr says:

    Das entspricht schlicht dem Standard. Hätte es ein Statement gegeben, hätte man es vermutlich auch nicht wiedererkannt. Ich hatte auch mal Gelegenheiten, die Hintergründe einer Story von Explosiv zu kennen. Die Rahmenhandlung stimmte, die Geschichte selbst war ausgeschmückt bis zur Unkenntlichkeit.

  3. warren jones II. says:

    Das alles hat auch der Verein „Einladung zum Paradies“ (Mönchengladbach) beklagt…

  4. antonella grimbaldi says:

    …tja, und so hat dann halt jede Seite ihre „Standards“- seitens der nackten Wohnungstänzer ist es jedenfalls eine Bestätigung, dass die Entscheidung, NICHT mit denen zu sprechen goldrichtig gewesen ist.

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