Anfrage an Berliner Parteien zum Einsatz von Pfefferspray

Nicht nur anlässlich des 1. Mai und des hundertfachen Einsatzes von Pfefferspray gegen Menschen in Kreuzberg, interessiert mich die Haltung der einzelnen Parteien im Berliner Senat zum Einsatz von Pfefferspray durch Polizeibeamte. Ich habe deswegen am Sonntag allen innenpolitischen Sprechern der Fraktionen die folgende Fragenliste zugesandt – und warte auf Antworten. Für mich selbst ist die Haltung der Parteien zu dieser Grundrechte betreffenden Frage durchaus auch für die Wahl zum Abgeordnetenhaus relevant.

Hier die Presseanfrage:

  • Wie ist die Haltung ihrer Fraktion zum Einsatz von Pfefferspray durch Polizeibeamte?
  • Haben Sie vor, den Einsatz von Pfefferspray durch die Polizei in der nächsten Legislaturperiode zu verbieten?
  • Wenn nein, bei welcher Art von Einsätzen / in welcher konkreten Situation soll Pfefferspray durch Polizeibeamte eingesetzt werden dürfen?
  • Welche Art von Maßnahmen werden Sie treffen um gesundheitliche Schäden und Todesfälle durch Pfefferspray auszuschließen?
  • Zivilgesellschaftliche Initiativen berichten in den letzten Jahren von einem vermehrten Einsatz von und laxen Umgang mit Pfefferspray durch Polizeibeamte in Berlin. Welche Erkenntnisse liegen Ihnen dazu vor?

Update 3.5.2011: Die FDP-Fraktion hat geantwortet. Die CDU-Fraktion auch. Siehe Kommentare.
Update 4.5.2011:: Heute nochmal Erinnerung an Grüne, LINKE und SPD geschickt. Benedikt Lux von den Grünen verspricht eine zeitnahe Antwort, die Regierungsfraktionen halten sich weiter bedeckt. Die Berliner Piraten haben auch ihre Antworten geschickt.
Update 5.5.2011: Die Antworten der Fraktion DIE LINKE sind da.
Update 10.05.2011:Benedikt Lux, innenpolitischer Sprecher der Fraktion Büdnis90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, hat geantwortet.

11 Kommentare

  1. Sehr geehrter Herr Nebel,

    ich danke für Ihre Anfrage und beantworte sie für die Fraktion der FDP im Berliner Abgeordnetenhaus wie folgt:

    1. Wie ist die Haltung ihrer Fraktion zum Einsatz von Pfefferspray durch Polizeibeamte?

    Antwort: Die Polizei hat die Möglichkeit, unter den Voraussetzungen, die das Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwangs (UZwG-Berlin) vorgibt, körperliche Gewalt anzuwenden. Der Einsatz von Pfefferspray ist immer dann abzulehnen, wenn es ein milderes Mittel gibt. Damit gebiete es das Gesetz, nur dann Pfefferspray einzusetzen, wenn dies in Abwägung mit den Risiken verhältnismäßig ist. Die FDP-Fraktion würde es begrüßen, wenn die Polizisten nicht in die Situation kommen würden, Pfefferspray einsetzen zu müssen.

    Die Risiken des Einsatzes von Pfefferspray sind unverkennbar. Wie bei allen Anwendungen von unmittelbarem Zwang kann es auch bei der Anwendung von Pfefferspray zu negativen Einflüssen kommen. Dies gilt bei der Abwehr von Angriffen auch für die möglichen Alternativen, den Einsatz des Schlagstocks, Tasers oder der Schusswaffe. Daher begrüßen wir es, wenn weiter nach ähnlich wirksamen Alternativen gesucht wird, die weniger Risiken bergen.

    2. Haben Sie vor, den Einsatz von Pfefferspray durch die Polizei in der nächsten Legislaturperiode zu verbieten?

    Antwort: Die FDP-Fraktion hat bisher keine Erkenntnisse, dass es in Berlin zu einem vorsätzlich missbräuchlichen Einsatz von Pfefferspray durch die Polizei gekommen ist oder die möglichen Gefahren oder Schäden durch den Einsatz unverhältnismäßig sind. Die FDP-Fraktion steht einer Diskussion über mögliche Alternativen jedoch aufgeschlossen gegenüber. Die Notwendigkeit eines grundsätzlichen Verbots des Einsatzes von Pfefferspray durch die Polizei sieht die FDP-Fraktion aktuell jedoch nicht, denn die Polizei müsste dass zu einem anderen der dargestellten Mittel greifen, mit teilweise weitaus drastischeren Risiken für die Beteiligten.

    3. Wenn nein, bei welcher Art von Einsätzen / in welcher konkreten Situation soll Pfefferspray durch Polizeibeamte eingesetzt werden dürfen?

    Antwort: Der Einsatz von Pfefferspray ist ein rechtmäßiges Mittel. Die FDP-Fraktion hält einen Einsatz im Rahmen des UZwG für zulässig und sinnvoll. Die Entscheidung, ob der Einsatz angemessen ist, obliegt der von den Gerichten überprüfbaren Entscheidung des jeweiligen Polizisten. Einen vermehrten Einsatz von Pfefferspray auf Demonstrationen sieht die FDP-Fraktion kritisch. Jedoch auch hier obliegt es der Überprüfung des Einzelfalles, ob der Einsatz verhältnismäßig gewesen ist.

    4. Welche Art von Maßnahmen werden Sie treffen um gesundheitliche Schäden und Todesfälle durch Pfefferspray auszuschließen?

    Antwort: Die gesundheitlichen Gefahren durch den Einsatz von Pfefferspray sind überwiegend indirekte Einwirkungen und hängen mit der Disposition des jeweils Betroffen zusammen. Die in Deutschland vereinzelt aufgetretenen Todesfälle sollen im Zusammenhang mit der Einnahme von Drogen und Psychopharmaka stehen.

    Auch, wenn der jeweils Betroffene die Gefahren selbst dadurch minimieren kann, der Polizei keinen Anlass für einen rechtmäßigen Einsatz von Pfefferspray zu geben, können dennoch Unbeteiligte zu Schaden kommen. Daher begrüßt es die FDP-Fraktion, wenn die Risiken durch eine Änderung der Zusammensetzung von Pfefferspray oder durch Alternativen weiter minimiert werden können. Zudem haben wir uns in den vergangenen Jahren massiv und erfolgreich dafür eingesetzt, die Sanitäts- und Rettungswegekonzepte anlässlich von Großdemos in Berlin zu verbessern, damit Betroffene zu jedem Zeitpunkt schnelle medizinische Hilfe in Anspruch nehmen können. Dies muss auch in Zukunft weiter optimiert werden.

    5. Zivilgesellschaftliche Initiativen berichten in den letzten Jahren von einem vermehrten Einsatz von und laxen Umgang mit Pfefferspray durch Polizeibeamte in Berlin. Welche Erkenntnisse liegen Ihnen dazu vor?

    Der FDP-Fraktion liegen diesbezüglich keine Erkenntnisse vor. Auch der Senat erhebt keine Statistik über den Einsatz von Pfefferspray. Bekannt ist jedoch, dass insbesondere nach den Einsätzen rund um Stuttgart 21 auch in Berlin der Einsatz von Pfefferspray auf Demonstrationen, letztmalig am 1. Mai 2011 moniert wurde. Auf der 18-Uhr-Demonstration waren in der Nähe des U-Bahnhofs Herrmannplatz auch die Beobachter der FDP-Fraktion, unter anderem ich selbst, vom Einsatz von Pfefferspray (wie auch in einigen Vorjahren) mittelbar betroffen. Die Wirkung von Pfefferspray, die eben nicht nur den Störer selbst betrifft, ist mir daher auch persönlich bekannt.

    Mit freundlichen Grüßen
    Björn Matthias Jotzo MdA
    Innenpolitischer Sprecher
    FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin

  2. John F. Nebel says:

    Herzlichen Dank für Ihre schnelle Antwort.

  3. Markus Golzen says:

    Hallo Herr Nebel,

    das Thema ist immer mal wieder aktuell – es gab sogar schon vor gar nicht allzu langer Zeit eine Petition gegen Pfeffer Spray, welche aber abgelehnt wurde: http://www.abwehrspray.com/news/allgemein/petition-gegen-reizgas-im-bundestag-abgelehnt-259.html

    Ich denke, verantwortungsvoll eingesetzt, ist es immer noch die bessere Alternative zur Schusswaffe und ähnliches.

  4. John F. Nebel says:

    Die Antwort des innenpolitischen Sprechers der Berliner CDU-Fraktion, Dr. Robbin Juhnke, ist auch da:

    Wie ist die Haltung ihrer Fraktion zum Einsatz von Pfefferspray durch Polizeibeamte?

    Die CDU-Fraktion befürwortet den Einsatz von Pfefferspray.

    Haben Sie vor, den Einsatz von Pfefferspray durch die Polizei in der nächsten Legislaturperiode zu verbieten?

    Nein.

    Wenn nein, bei welcher Art von Einsätzen / in welcher konkreten Situation soll Pfefferspray durch Polizeibeamte eingesetzt werden dürfen?

    keine Antwort

    Welche Art von Maßnahmen werden Sie treffen um gesundheitliche Schäden und Todesfälle durch Pfefferspray auszuschließen?

    Fundierte Ausbildung vor dem Einsatz des Sprays.

    Zivilgesellschaftliche Initiativen berichten in den letzten Jahren von einem vermehrten Einsatz von und laxen Umgang mit Pfefferspray durch Polizeibeamte in Berlin. Welche Erkenntnisse liegen Ihnen dazu vor?

    Keine, die diesen Eindruck bestätigen würden.

  5. CyberPunk says:

    Da war die „Ausbildung vor dem Einsatz des Sprays“ wohl nicht fundiert genug:

    http://www.berlin.de/polizei/presse-fahndung/archiv/342962/index.html

  6. per.bote says:

    die antwort des cdu-heinis ist so unfaßbar arrogant, daß man sich fragt, ob er nicht in erster linie darüber pikiert war, daß die anfrage per mail und nicht, wie gewohnt, per bote rein kam.

    sogar der typ von der spaßpartei wirkt dagegen unglaublich sympathisch und wählbar und das will schon was heißen!

    aber zum glück haben wir bei wahlen mehr als diese beiden volkszertreterkollektive zur auswahl :)

  7. Petra Richter says:

    Guten Tag Herr Nebel,

    aktuell gibt es eine Forderung der Linksfraktion das Pfefferspray für die Polizei zu verbieten, so das auch die Polizei das Spray genau so wie Zivilpersonen, es nämlich nur gegen bissige Kampfhunde einsetzen darf: http://www.pfefferspray-versand.de/news/allgemein/pfefferspray-selbstverteidigung-oder-korperverletzung-linksfraktion-fordert-verbot-fur-polizei-448.html

    Mit freundlichen Grüßen
    Petra Richter

  8. John F. Nebel says:

    Philipp Magalski, Pressesprecher der Berliner Piratenpartei, hat auch auf unsere Anfrage geantwortet:

    Wie ist die Haltung ihrer Partei zum Einsatz von Pfefferspray durch Polizeibeamte?

    In Situationen, in denen Polizeibeamte bedroht werden, müssen sie sich verhältnismäßig und adäquat verteidigen. Weit mehr als unverhältnismäßig dagegen sind Realitäten wie der Einsatz gegen Schülergruppen und Baumbesetzer bei Stuttgart 21 oder der Einsatz der Bundespolizei beim Castor, als fast 2200 (!) Kartuschen mit synthetischem Pfefferspray leergesprüht und gegen friedliche Demonstranten eingesetzt wurden, denen größtenteils nur Ordnungswidrigkeiten oder ziviler Ungehorsam zur Last gelegt werden konnte. Pfefferspray ist im Gegensatz zum Gummiknüppel oder anderen in staatlichem Gebrauch befindlichen Hilfsmitteln körperlicher Gewalt sicherlich eines mit verhältnismäßig geringerem Gesundheitsrisiko für den Angreifer.

    Doch auch gerade beim Pfefferspray können langfristige Gesundheitsschäden und sogar Todesfälle nicht ausgeschlossen werden.

    Deshalb befürworten wir die Prüfung einer weniger gefährlichen Alternative zum Gebrauch in der Gefahrenabwehr bzw. in der Anwendung unmittelbaren Zwangs (UZwG-Berlin).

    Haben Sie vor, den Einsatz von Pfefferspray durch die Polizei in der nächsten Legislaturperiode zu verbieten?

    Die PIRATEN werden Alternativen zum Pfefferspray genau prüfen, um bei möglichst geringem Gesundheitsrisiko für den Abzuwehrenden ein Mindestmaß an Sicherheit für die Beamten zu gewährleisten.

    Wenn nein, bei welcher Art von Einsätzen / in welcher konkreten Situation soll Pfefferspray durch Polizeibeamte eingesetzt werden dürfen?

    Der Einsatz von Pfefferspray soll nur so lange weiterhin in Situationen unmittelbaren Zwangs statthaft sein, wie eine gesundheitsrisikoärmere, adäquate Alternative fehlt.

    Welche Art von Maßnahmen werden Sie treffen um gesundheitliche Schäden und Todesfälle durch Pfefferspray auszuschließen?

    Die Piratenpartei Berlin ist daran interessiert, dass Mittel zur Gefahrenabwehr verhältnismäßig und risikoarm sind. So lange ein Einsatz von Pfefferspray gesetzmäßig ist, werden wir gesundheitliche Schäden und im seltenen Extremfall auch Todesfälle nicht ausschließen können. Aus diesem Grunde setzt sich die Piratenpartei Berlin dafür ein, mildere Alternativen zum Pfefferspray zu suchen.

    Zivilgesellschaftliche Initiativen berichten in den letzten Jahren von einem vermehrten Einsatz von und laxen Umgang mit Pfefferspray durch Polizeibeamte in Berlin. Welche Erkenntnisse liegen Ihnen dazu vor?

    Siehe auch Antwort 1.
    In der Informationsgesellschaft häufen sich Berichte über den missbräuchlichen Einsatz von Pfefferspray, den sowohl Demonstrationsteilnehmer, Bürgerrechtsbewegungen und NGOs als auch wir selbst bestätigen können.

  9. John F. Nebel says:

    Gerade per Mail reingekommen: Die Antworten von Marion Seelig, innenpolitische Sprecherin der Fraktion Die LINKE im Abgeordnetenhaus.

    Wie ist die Haltung ihrer Fraktion zum Einsatz von Pfefferspray durch Polizeibeamte?

    Pfefferspray ist ein eng begrenztes Mittel zur Anwendung von unmittelbarem Zwang, das nur im absoluten Ausnahmefall angewandt werden sollte. Es wurde vor einigen Jahren als Ersatz für CS-Gas (Tränengas), das noch gefährlicher ist, eingeführt. Da auch Pfefferspray mit Risiken für die Gesundheit und in seltenen Fällen auch fürs Leben behaftet ist, sollte nach Alternativen gesucht werden.

    Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss bei der Anwendung auf jeden Fall gewahrt bleiben, d.h., wenn mildere Mittel zur Erreichung eines bestimmten Zweckes vorhanden sind, darf nicht zum Pfefferspray gegriffen werden. Dies ist in Berlin im Gesetz zur Anwendung unmittelbaren Zwangs bei der Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Landes Berlin (UZwG Bln) auch so geregelt, in anderen Bundesländern in ähnlicher Weise. Das Problem ist, dass Pfefferspray in vielen Fällen unverhältnismäßig eingesetzt wird. So ist der exzessive Einsatz gegen Demonstrantinnen und Demonstranten wie am 30. Dezember 2010 in Stuttgart mit über 100 Verletzten oder beim jüngsten Castor-Transport völlig überzogen und ist eine offensichtliche Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgebots. Grundsätzlich ist der Einsatz in Menschenmengen inakzeptabel, da so gut wie immer damit zu rechnen ist, dass auch Unbeteiligte oder Polizistinnen und Polizisten selbst zu Schaden kommen.

    Haben Sie vor, den Einsatz von Pfefferspray durch die Polizei in der nächsten Legislaturperiode zu verbieten?

    Ein generelles Verbot streben wir momentan nicht an. Alle Mittel des unmittelbaren Zwangs müssen aber regelmäßig evaluiert und wenn möglich durch mildere Mittel ersetzt werden, so auch das Pfefferspray. Wir werden darauf drängen, dass nach Möglichkeit andere Mittel gefunden werden, die weniger risikobehaftet sind. In diesem Falle würden wir eine entsprechende Änderung des UZwG anregen.

    Wenn nein, bei welcher Art von Einsätzen / in welcher konkreten Situation soll Pfefferspray durch Polizeibeamte eingesetzt werden dürfen?

    Siehe Antwort zu Frage 1. Grundsätzlich nur in Situationen, in denen eine Gefahr für Leib und Leben von Polizeibeamtinnen oder –beamten oder Dritten besteht und keine milderen Mittel zur Verfügung stehen.

    Welche Art von Maßnahmen werden Sie treffen um gesundheitliche Schädenund Todesfälle durch Pfefferspray auszuschließen?

    Jede Art der Anwendung unmittelbaren Zwangs ist mit einem Risiko für die Gesundheit der Beteiligten verbunden, wenn etwa bestimmte Vorerkrankungen o.ä. vorliegen. Dieses Risiko gilt es zu minimieren.

    Wir sind generell der Ansicht, dass eine effektive demokratische Kontrolle der Polizei als Inhaberin des staatlichen Gewaltmonopols notwendig ist, um zu einer Einschränkung von unverhältnismäßiger Polizeigewalt zu kommen. Insofern wird auch die individuelle Kennzeichnung von Polizisten, die auf langes Drängen der LINKEN nun endlich in Berlin eingeführt wird, zu einer höheren Hemmschwelle beim Einsatz von Pfefferspray führen. Zudem fordern wir eine unabhängige Untersuchungsinstanz für Fälle von Polizeigewalt, was bislang an der SPD gescheitert ist.

    Wichtig ist aus unserer Sicht auch die Dokumentation von Pfeffersprayeinsätzen. Jeder Einsatz sollte sorgfältig protokolliert sein, damit im Nachhinein seine Rechtmäßigkeit überprüft werden kann und eine Kontrolle durch die Öffentlichkeit möglich ist.

    Zivilgesellschaftliche Initiativen berichten in den letzten Jahren von einem vermehrten Einsatz von und laxen Umgang mit Pfefferspray durch Polizeibeamte in Berlin. Welche Erkenntnisse liegen Ihnen dazu vor?

    Polizeieinsätze wie in Stuttgart oder beim Castor sind in Berlin glücklicherweise nicht an der Tagesordnung, was auch an der besseren Polizeistrategie liegt. In dieser Hinsicht hat sich in Berlin in den letzten Jahren vieles zum Besseren bewegt. Dennoch: die Berichte von NGOs und Medien zur Zunahme von Pfeffersprayeinsätzen in Berlin kennen wir und betrachten wir mit Sorge. Gesicherte Erkenntnisse über eine deutliche Zunahme von Pfeffersprayeinsatz liegen uns aber nicht vor. Es kommt also zum einen darauf an, jeden Einzelfall zu untersuchen und ggf. die nötigen Konsequenzen zu ziehen. Den Einsatz am Abend des 1. Mai 2011 in Kreuzberg werden wir im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses thematisieren. Zum anderen wollen wir anregen, dass von Seiten der Polizei zum Einsatz von Pfefferspray Zahlen vorgelegt werden und wenn es keine gibt, diese regelmäßig erhoben werden.

  10. John F. Nebel says:

    Benedikt Lux, Innenpolitischer Sprecher von Bündnis90 / Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus hat gerade per Mail geantwortet.

    1. Wie ist die Haltung ihrer Fraktion zum Einsatz von Pfefferspray durch Polizeibeamte?

    Reizstoffe gehören seit Langem zur Ausstattung der Polizei. Eingeführt wurden sie auch in mit der Absicht, den Polizeibeamtinnen und -beamten ein im Vergleich zur Schusswaffe und zum Schlagstock „milderes“ Mittel zur Verfügung zu stellen, um sich schützen zu können und um im Rahmen der gesetzlichen Grenzen unmittelbaren Zwang auszuüben. Es war jedoch ein Irrtum, zu glauben, dass Pfefferspray keine Verletzungen verursacht. Das stellte sich zunächst deutlich beim früher gebräuchlichen CS-Gas heraus. Aber auch der Pfefferspray, der dann als mildere und effektivere Alternative galt, birgt offenbar gesundheitliche Gefahren – insbesondere bei Personen, die unter dem Einfluss psychoaktiver Substanzen stehen oder die z.B. Asthma oder bestimmte Allergien haben. (Vgl. Zusammenfassung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages [http://www.bundestag.de/dokumente/analysen/2010/pfefferspray.pdf).

    Diese Erkenntnisse müssen beim polizeilichen Einsatz von Pfefferspray berücksichtigt werden, um Risiken zu minimieren. Der Einsatz darf nur im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgebots angewandt werden. Am 1. Mai wurde abends am Kottbunsser Tor Pfefferspray wahllos und ohne konkrete Vorwarnung eingesetzt. Das habe ich als einziger im gestern tagenden Innenausschuss auch so kritisiert.

    2. Haben Sie vor, den Einsatz von Pfefferspray durch die Polizei in der nächsten Legislaturperiode zu verbieten?

    Die Gefahren des Einsatzes von Pfefferspray und Alternativen sind immer wieder neu zu prüfen. Ein völliges Verbot wird kaum ersatzlos möglich sein. Eine Rückkehr zum CS-Gas wäre nach meiner bisherigen Kenntnislage eine Verschlechterung. Auch die diskutierte Elektroschocker und Taser sind keine Alternative. Und die „klassischen“ Waffen Schlagstock und Pistole natürlich erst recht. Auch Wasserwerfer können zu erheblichen Verletzungen führen. In unterschiedlichen Situationen kann der Einsatz unterschiedlicher Mittel verhältnismäßig sein. In jedem Fall muss es darum gehen zu vermeiden, dass es Verletzte oder sogar Tote gibt.

    3. Wenn nein, bei welcher Art von Einsätzen / in welcher konkreten Situation soll Pfefferspray durch Polizeibeamte eingesetzt werden dürfen?

    In der konkreten Situation müssen Polizistinnen und Polizisten oft sehr schnell entscheiden, welches Mittel angemessen ist. Das ist eine schwierige Aufgabe, auf die sie so gut wie möglich vorbereitet werden müssen. Doch rechtliche und polizeiinterne Vorgaben geben ihrem Handeln einen Rahmen und setzen klare Grenzen, deren Einhaltung notfalls auch gerichtlich zu prüfen ist. Nach meiner persönlichen Einschätzung ist der Einsatz von Pfefferspray zur Selbstverteidigung in der Regel verhältnismäßig. Bei der Auflösung von Menschenansammlungen käme es sehr auf die Umstände an. Pfeffersprayeinsatz ohne Vorwarnung gegen friedlich Demonstrierende oder Unbeteiligte ist klar unverhältnismäßig und kann und sollte als Körperverletzung im Amt geahndet werden.

    4. Welche Art von Maßnahmen werden Sie treffen um gesundheitliche Schäden und Todesfälle durch Pfefferspray auszuschließen?

    Bei Zwangsmaßnahmen lassen sich gesundheitliche Risiken leider wohl kaum völlig ausschließen. Um so wichtiger ist es, dass versucht wird, die Risiken zu begrenzen. Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist jeweils das mildeste Mittel einzusetzen, das den Zweck erfüllt. Um zu erreichen, dass dies auch geschieht, sind Rechtsvorschriften, Einsatzstrategien der Polizei und die Trainings der Beamten im Lichte neuer Erkenntnisse immer wieder zu überprüfen. Wir wollen diese Überprüfung durch die Einführung eines Polizeibeauftragten stärken. Diese unabhängige Stelle soll Hinweisen aus der Bevölkerung wie aus der Polizei nachgehen, Erfahrungen auswerten und Verbesserungsvorschläge erarbeiten.

    5. Zivilgesellschaftliche Initiativen berichten in den letzten Jahren von einem vermehrten Einsatz von und laxen Umgang mit Pfefferspray durch Polizeibeamte in Berlin. Welche Erkenntnisse liegen Ihnen dazu vor?

    Uns liegen gerade aus letzter Zeit Presseberichte und mündliche Erfahrungsberichte vor, die in der Tat zu denken geben. Wenn offenbar sogar Kollegen von Polizisten mit Pfefferspray verletzt werden, wird es – gelinde gesagt – sehr fraglich, ob der Einsatz immer verhältnismäßig erfolgt. ( z.B. Tagesspiegel vom 19.4.2011: „Verwechslung mit Autonomen: Polizist besprüht seinen Chef mit Pfefferspray“ http://www.tagesspiegel.de/berlin/polizei-justiz/polizist-besprueht-seinen-chef-mit-pfefferspray/4079112.html; taz 3.5.2011: „Pfefferspray-Einsatz am 1. Mai in Kreuzberg: Polizisten verletzen Zivilbeamte“ http://www.taz.de/1/berlin/artikel/1/polizisten-verletzen-zivilbeamte/). Um solche Vorfälle notfalls gerichtlich überprüfen zu können, haben wir uns immer für eine individuelle Kennzeichnung eingesetzt. Zumindest für Berlin ist das endlich beschlossen aber noch nicht umgesetzt.

  11. Ich hoffe es kommt zu einigen Anklagen innerhalb der Polizei. Aber davon sollte man nicht ausgehen. Dabei bleibt noch zu fragen wo die Umsetzung der Kennzeichnungspflicht bleibt? Davon sprechen ist schön, aber die Praxis sieht anders aus :(

    Kottizuschauer

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