Faustregel der Massenmedien?

Falk Lüke hat eine Replik mit vielen Fragezeichen beim konservativen Cicero veröffentlicht, um das Netz gegen den Vorwurf der Gosse zu verteidigen. Dabei stellt Lüke zwar treffend fest, dass das Netz erst einmal neutral sei und eben auch Spinner und Freaks sich dort neben Klugen und Nachdenklichen tummeln würden.

Doch dann kommt Lüke zu dieser eklatanten Fehleinschätzung:

Was wir nicht auf der Titelseite einer Tageszeitung sehen oder lesen, im Fernsehen schauen oder im Radio hören wollten, das gehört nicht allgemein zugänglich ins Netz.

Nein, gerade diese Forderung wirft die Demokratisierung der Öffentlichkeit um Lichtjahre zurück. Die Möglichkeit eines Netzes, in der jeder und jede erst einmal alles veröffentlichen können, ist die große Veränderung der letzten Jahre. Der große Umbruch ist die Entstehung einer fünften Gewalt, die eben nicht an ökonomischen Zwängen und politischen Grenzen klassischer Medien halt macht. Sie ist die Chance, das Framing von Massenmedien zu durchbrechen. Sie ist die Möglichkeit für alle, Mindermeinungen auch „ohne Druckerpresse und Produktionsmittel“ verfügbar zu machen. Die Spinner, Freaks und Verschwörungstheoretiker mögen daran scheitern, was Lüke die „Verantwortung der User“ nennt. Oder einfach am Desinteresse der Menschen, die den Inhalt eben nicht liken, verbloggen oder weiterleiten.

Wer aber das Netz und seine Inhalte faustregelhaft beschränken will auf das, was wir in Massenmedien hören, sehen, lesen wollten, der macht das Netz zum banalen Kanal in den Leitplanken dessen, was uns Zeitungen, Radio und Fernsehen eh schon vorgeben.

Diese Haltung verkennt, dass das Netz der Platz ist, eine noch nie dagewesene Meinungs- und Pressevielfalt, immer und überall abrufbar, zu leben. Eine solche Haltung vergisst, dass im Netz Platz ist für Themen, die es eben nicht in die Schlagzeilen schaffen. Und dass die Teil-Öffentlichkeiten, die Blogs, Podcasts, whatever mit ihren Nischenthemen bespielen, die Pluralität von dem, was wir als Medien kannten, enorm bereichert haben.

Der Ruf nach einer Beschränkung nach der Faustregel der Massenmedien ist der Ruf nach Konformität und Stillstand.

9 Kommentare

  1. Falk says:

    Meinst Du das ernst? Oder ist das jetzt Satire? Ich fordere nicht, dass man nur die Inhalte der Massenmedien veröffentliche, wie Du mir hier unterstellst. Sondern, dass jeder, bevor er über andere Menschen etwas schreibt, diese Faustregel beherzigen möge. Aber dafür muss man den Text auch gelesen und nicht nur ein Zitat herausgepickt haben.

  2. Mikael says:

    Nein, das ist die Zuspitzung deiner These. Und hier steht ja auch nicht, dass du gesagt hast, dass man die Inhalte der Massenmedien im Netz republishen soll, sondern dass Du forderst, dass die User sich beim Publizieren an folgender Faustregel orientieren sollen: „Was wir nicht auf der Titelseite einer Tageszeitung sehen wollen, gehört nicht ins Netz.“ (Bildunterschrift in deinem Artikel auf cicero.de)

    Ich habe den Text selbstverständlich genau gelesen und könnte diese Regel ja für die Darstellung von Privatpersonen noch verstehen. Aber genau hier gibt es ja Gesetze, die Veröffentlichungen unterbinden sollen.

    Deine Zuspitzung auf diese Faustregel impliziert, dass im Netz nur das seine Berechtigung hat, was auch so in den Schlagzeilen von Zeitungen & Co. vorkommt.

    Und das wiederum ist eben Quatsch, da das Netz in seiner neutralen Struktur endlich Platz geschaffen hat für Abwegiges, Nebensächliches, Nischenthemen, Mindermeinungen – und genau diese in der neuen Relevanzzuweisung auch eine Chance haben, wahrgenommen zu werden.

    Was braucht es da die Schere im Kopf, ob mein Artikel so auch Schlagzeile auf Cicero, taz oder Bild sein könnte. Ich schreibe – und wenn es gefällt, dann gefällt es. Wenn nicht, geht es unter irgendwo in den Weiten des Netzes.

  3. Falk says:

    Ich habe das Gefühl, dass Du den Gegenstand meines Artikels (die Bildunterschrift ist übrigens nicht von mir geschrieben) hier durchaus ignorierst: die Frage, wie wir mit Informationen (Gerüchten wie Wahrheiten) im Netz umgehen, die wir selbst dort hineinstellen.

    Gesetzliche Schranken greifen nämlich eben oft nicht, schon aus technischen Gründen – und ich bin mir sicher, dass ich kein Internet haben wollen würde, in dem eben diese technischen Nichtverfolgbarkeitsgründe nicht mehr gegeben sind.
    Nein, im Netz hat nicht nur das Berechtigung, was auch in klassischen Massenmedien vorhanden wäre. Aber bevor ich über andere Menschen etwas schreibe, sollte ich mir im Klaren sein, was meine Publikation bewirkt. Das kannst Du als Schere im Kopf bezeichnen, dann fordere ich sie ein, oder als Verantwortlichkeit, so wie ich das getan habe.

  4. Falk says:

    Oder kurz gefasst: es geht im Artikel um die Frage der Veröffentlichung von personenbezogenen Informationen. Not more, not less.

  5. Mikael says:

    Ok, danke für die Klärung. In deinem Artikel ist dies sehr missverständlich ausgedrückt.

    Bei Veröffentlichung personenbezogener Daten, Bilder, etc. von Personen, die nicht Person der Zeitgeschichte sind, macht dies als Faustregel natürlich Sinn.

  6. Ela says:

    Während bei uns der Regen in Strömen fällt und die Temperatur auf 4°C – der Osterhase kam tdzrotem und legte seine Eier in der frisch gepflasterten Garage ab – sieht es bei euch nach Sonne, Wärme, Farben und Lust aus! Viel Spass weiterhin und danke für den gluschtigen Reisebericht. Osterküsse von tisirilafita

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