So kam die CDU zur Twitter Event Page (Update: Antwort der SPD)

CC-BY-NC-SA Junge Union Deutschlands

Es herrscht weiterhin Unklarheit darüber, wie die Twitter Event Pages genau funktionieren und wie redaktionell ausgewählt wird. Die CDU-Parteizentrale hat uns jetzt eine Stellungnahme geschickt.

Twitter Inc. ist an die CDU-Bundesgeschäftsstelle mit dem Angebot herangetreten, zum CDU-Parteitag 2012 eine Event Page anzubieten. Twitter wolle dieses neue Format, das sich mittlerweile bei Großereignissen in den USA bewährt hat, auch in der politischen Kommunikation in Deutschland etablieren. Dafür würden sich nach Einschätzung von Twitter die Parteitage der CDU und der SPD ganz besonders eignen.

Die Idee der gefilterten Event Page kam also von Twitter – und die CDU hat dieses Angebot angenommen.

Zwischen Twitter Inc. und der CDU Deutschlands wurde vereinbart, dass Twitter für das Event Page-Angebot das Logo der CDU Deutschlands nutzen darf. Außerdem wurde geregelt, dass die Zusammenarbeit für beide Seiten unentgeltlich und mit keinerlei Gegenleistungen verbunden ist.

Spannender wird es bei der redaktionellen Betreuung der Event Page. Hier schreibt die CDU:

Die CDU hatte keinen Einfluss auf die Auswahl der Tweets und keinerlei Administrationsrechte. Für redaktionelle Inhalte der Seite (Hintergrundbild, Foto-Stream, Pinned Tweet, Videobox, Logo, CDU-Twitter-Accounts) konnte die CDU Vorschläge unterbreiten. Twitter informierte die CDU in Vorgesprächen darüber, dass die Entscheidung über deren Umsetzung allein bei Twitter liege.

Die Aussage, dass die CDU keinen Einfluss auf die Auswahl der Tweets hatte, ist folglich so nicht ganz richtig. Denn sie konnte vor Schaltung der Event Page Vorschläge unterbreiten, zum Beispiel eine Auswahl an CDU-Twitter-Accounts. Diese wurden wie bei der SPD vermutlich auch in eine Whitelist gepackt. Leider gibt uns hier die Stellungnahme der CDU keine weitere Auskunft. Zudem konnte sie über Foto-Stream, Pinned Tweet und Videobox eine redaktionelle Grundauswahl der Seite mitbestimmen, auch wenn Twitter sich vorbehielt, eine endgültige Entscheidung zu treffen. Bei einer Kooperation von dieser Tragweite ist davon auszugehen, dass es hier eine enge Abstimmung gab.

Auf der Hashtagseite waren zuerst gefilterte Ergebnisse zu sehen, erst über einen weiteren Klick auf einen nicht deutlich gekennzeichneten Link konnten User dann alle (und auch die kritischen) Tweets anzeigen lassen. Dies sieht die CDU nicht als intransparent an, sondern ordnet die Twitter Eventpage als wichtiges Kommunikationstool ein:

Die CDU sieht sich in ihrer Einschätzung bestätigt, dass die Event-Page eine wichtige, veranstaltungsbegleitende Ergänzung zum üblichen Twitter-Angebot darstellt. Alle Tweets wurden zudem unter dem Hashtag #cdupt12 ausgespielt, worauf auf der Event Page ausdrücklich hingewiesen und verlinkt wurde.

Leider sind die Auskünfte der CDU-Parteizentrale nicht genau an den gestellten Fragen orientiert, sie geben aber schon einmal einen kleinen Einblick, wie Twitter zusammen mit Kooperationspartnern solche Event Pages organisiert. Von der SPD haben wir übrigens bislang noch keine Auskunft bekommen. Auch sie hatte eine Hashtag-Werbeseite für ihren Parteitag genutzt. Es bleiben also noch einige Fragen offen.

Update:

Die SPD hat jetzt auch geantwortet, auch in dieser Darstellung ist Twitter auf die Partei zugekommen:

Das Angebot von Twitter, den SPD-Parteitag als “Event-Page” abzubilden, hat die SPD gern angenommen, nachdem wir uns entsprechende Twitter-Event-Pages aus den USA (#debates) angesehen hatten. Kosten sind der SPD von Twitter nicht in Rechnung gestellt worden.

Zum Vorgehen und den Auswahlkriterien wird es jetzt etwas detailgenauer:

Twitter bat im Vorfeld um eine Liste von Accounts (Twitterern), die “in jedem Fall” in der abzubildenden Dialogbox (Timeline) erscheinen sollten – und zwar in dem Sinne, dass sie VOM Parteitag LIVE berichten könnten, unabhängig davon, ob sie der SPD zugetan sind, neutral oder “kritisch”. Wir haben daraufhin eine Liste von Twitterern an Twitter gesendet, von denen wir wussten, dass sie sich zum Parteitag angemeldet hatten. Dabei handelte es sich um SPD-Mitglieder und –unterstützer ebenso wie Blogger, Journalisten, Interessierte usw.

Dies ist dann wohl die SPD-Whitelist, die mittlerweile gelöscht wurde. Wir haben diese aber glücklicherweise noch als Textdatei gesichert. Neben ein paar Journalisten und Bloggern wird sie von SPD-Mitgliedern dominiert.

Weitere Twitterer für die Liste wurden angefragt und umworben über unsere SPD.de-Seite und über angeschlossene Social-Media-Kanäle (SPD.de auf Twitter: “Wer ist hier beim #spdbpt12 und twittert live? Meldet Euch, damit Ihr sicher auf der Eventpage erscheint!”). Dies geschah im Vorfeld UND während des Parteitags.

Diesen Tweet haben wir tatsächlich noch bei Google gefunden:

Es war auch möglich noch nachträglich auf die Whitelist zu gelangen, so wurde der SPD-Netzpolitiker Jonas Westphal auf diese genommen, nachdem er um Aufnahme in die Whitelist gebeten hatte:

Es war also, entgegen der CDU-Stellungnahme, auch noch im laufenden Event möglich Einfluss auf die Listen und damit die redaktionellen Inhalte zu nehmen.

Für die SPD stellt die Twitter Event Page keine Maßnahme dar, um genehme Tweets zu pushen:

Eine “SPD-Zensur” zugunsten einer “positiven Stimmung” oder um “genehme Tweets” zu pushen oder “ungenehme” Tweets zu unterdrücken, fand zu keinem Zeitpunkt statt.

Dem widerspricht natürlich, dass die SPD selbst auswählen konnte, wen sie über den Parteitag auf der Event Page twittern lässt. Eine Handvoll für die Event Page „akkreditierte“ Blogger und Jounalisten neben einer überwältigenden Mehrheit von Parteimitgliedern bringen eben noch lange nicht die Bandbreite an Meinungen, die auf dem Hashtag selbst lief. Zumal man die „vor Ort“ twitternden Menschen locker auch über eine Liste als Twitterwall ausspielen hätte können.

Im Fazit: Beide Parteien gehen in ihren Antworten nicht darauf ein, dass die Hashtag-Werbeseite nur unzureichend gekennzeichnet war und so vielen Usern eine gefilterte Realität vorgegaukelt wurde. Und das ist ja der Kernpunkt der Kritik.

Auf SZ.de hat Johannes Boie den Einsatz der Event Pages kommentiert:

Mal angenommen, der Betreiber einer Zeitungsdruckerei wäre an die SPD herangetreten und hätte ihr folgendes Angebot gemacht: Die Partei könne ihm eine Liste mit den Namen deutscher Journalisten und Publizisten übergeben. Nur deren Texte würde er dann gut sichtbar drucken, wenn es um den Bundesparteitag der SPD ginge, andere Texte zur SPD dagegen würde er ein wenig verstecken. Das sei für die Partei quasi als Test kostenlos, erst zukünftig wolle er für seinen Service Geld haben. Die Kritik wäre, mit Recht, gewaltig.

3 Kommentare

  1. Jens Best says:

    „…das sich mittlerweile bei Großereignissen in den USA bewährt hat,..“ – Genau, bewährt hat, um den crowd-publizistischen Strom von Tweets zu kontrollieren.
    Fast kann einem bei soviel vorgespielter oder echter Ahnungslosigkeit die CDU schon leid tun. #notreadyfor21stcentury

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