Staatliche und nicht-staatliche Zensur

CC-BY-SA Opensourceway

Über den Begriff der Zensur wird gerade heftig debattiert. Doch was ist eigentlich Zensur?

Ein Kommentar wird entfernt? Zensur! Kommentare in einem Blog sind nicht erlaubt? Zensur! Ein Software wird in einem Store nicht zugelassen? Zensur! Eine Zeitung löscht einen Blog? Zensur! Ein Artikel wird nachträglich verändert? Zensur! Rassistische Sprache wird aus Kinderbüchern entfernt? Zensur! Der Zensurbegriff, wie er im Netz rumgeistert, ist ein völlig schwammiger, verzerrter, der die Schwere der Handlung entwertet.

Stephan Urbachs Kritik am inflationären Gebrauch des Wortes „Zensur“ ist in der Sache richtig, denn Zensur ist laut der deutschen Wikipedia:

ein restriktives Verfahren von in der Regel staatlichen Stellen, um durch Massenmedien oder im persönlichen Informationsverkehr (etwa per Briefpost) vermittelte Inhalte zu kontrollieren, unerwünschte beziehungsweise Gesetzen zuwiderlaufende Inhalte zu unterdrücken und auf diese Weise dafür zu sorgen, dass nur erwünschte Inhalte veröffentlicht oder ausgetauscht werden.

ccby_lisa_williams

Zensur ist also nach dieser Definition „in der Regel“ staatlich. In der englischen Wikipedia hingegen ist der Begriff deutlich weiter gefasst:

Censorship is the suppression of speech or other public communication which may be considered objectionable, harmful, sensitive, or inconvenient as determined by a government, media outlet, or other controlling body. It can be done by governments and private organizations or by individuals who engage in self-censorship.

Einen interessanten Aspekt hat Antje Schrupp der Debatte beigefügt:

Das, was im Zentrum der Zensur steht, ist nicht, dass sie vom Staat ausgeübt wird, sondern dass mit Gewalt bestimmte Meinungsäußerungen verhindert werden.

Zensur ist nach dieser Lesart also eine mit Gewalt durchgeführte Informationskontrolle und Informationsunterdrückung.

Wenn wir also mal das Wort Informationskontrolle benutzen – das ich im Übrigen für zu euphemistisch halte – dann gehört natürlich zur Informationskontrolle, wenn Firmen auf ihrem Blog unliebsame Kommentare nicht freischalten oder wenn jemand einen beleidigenden Kommentar in seinem privaten Blog löscht. Es ist Informationskontrolle, wenn Staaten bestimmte Inhalte blockieren oder mit Horden von Claqueuren regierungsfreundliche Kommentare absetzen. Es ist Informationskontrolle, wenn Google Webseiten, die Copyrights verletzen, trotz ihrer Relevanz herabstuft und wenn Facebook einen papstkritischen Kommentar von Domian löscht. Es ist Informationskontrolle, wenn ein Arbeitgeber bestimmte Webseiten auf der Arbeit nicht zugänglich macht. Es ist Informationskontrolle, wenn Apple eine satirische App im Store nicht zulässt und es ist Informationskontrolle, wenn Artikel einer Zeitung im Nachhinein intransparent geändert werden. Es ist sogar Informationskontrolle, wenn ich automatische Filter gegen Spam einsetze.

censor_corporate_ccby_girlinthecafeInformationskontrolle ist ein weites Feld, und sie ist fast immer problematisch. Wenn der Staat mit Gewalt Informationskontrolle durchführt, ist es Zensur. Was aber, wenn die Infrastruktur eines Unternehmens einen quasi öffentlichen Status erreicht. Mit einem 95%-Monopol kann ein Konzern wie Google die Realität in einem Maße beeinflussen, indem Informationskontrolle zweifelsohne Zensur wird, auch wenn 5% der Menschen dann doch das Ergebnis noch über eine Nischensuchmaschine finden können. Ähnlich verhält es sich mit Facebook, wo als Grundgesetz eben Allgemeine Geschäftsbedingungen herhalten, die sich an den Werten „Family Friendly“ und „Good clean Fun“ orientieren. Klar können wir rufen „Macht doch schöne dezentrale, selbst gehostete Dienste“, aber das führt nicht weiter, wenn die Mehrheit der Gesellschaft Facebook nutzt.

censr_ccbyncnd_jonathan_w

Wir müssen uns also vom Dogma trennen, dass Zensur nur Zensur ist, wenn der Staat hinter der Informationskontrolle oder der Informationsunterdrückung steckt. Plomlompom hat in der Debatte die Begriffe „staatliche Zensur“ und „nicht-staatliche Zensur“ ins Feld geführt. Und Anatol Stefanowitsch hat dies noch einmal weiter ausdifferenziert und um die Adjektive „legitim“ und „illegitim“ erweitert.

Das ist doch ein sprachliches Werkzeug mit dem sich arbeiten lässt.

Wir haben in diesem Blog in acht Jahren vielleicht 3-10 Kommentare transparent gelöscht und/oder bearbeitet, weil sie Aufrufe zu Straftaten oder wüste Beleidigungen gegen Autor/innen enthielten. Jedes Mal war das in meinen Augen eine vollkommen legitime Form der Informationskontrolle. Jedes Mal wurde für alle transparent gemacht, dass hier Information kontrolliert bzw. unterdrückt wurde.

kommentargeloescht

Ich selbst habe aber auch oft erlebt, dass Betreiber von Blogs auch das weglöschen, was sie nicht hören wollen. Der Mensch ist schnell dabei, sich selbst zu bestätigen in seiner cosy Filterbubble und damit eine echte Debatte abzuwürgen. Die Grenze zwischen einer Beleidigung und einem scharf vorgetragenen Argument ist eben fließend.

Mir ist Informationskontrolle und -unterdrückung von Grund auf suspekt, wenn es sich um menschliche – also nicht-maschinell – erstellte Informationen handelt. Es handelt sich also mitnichten um „ein dummes Gerede von Zensur“ wie Antje Schrupp postuliert, wenn Leute Zensur anprangern, sondern um ein Unbehagen von Menschen, die Meinungsfreiheit für elementar halten.

Ich kann verstehen, dass Leute eine Art Hausrecht in ihrem Blog ausüben wollen, dass sie keine Lust auf themenfremde Kommentare, Beleidigungen oder Verschwörungstheorien haben und das Trolle einfach nerven. Doch überall, wo intransparent Information unterdrückt wird, ist der Fluss der Information gestört und für Außenstehende nicht mehr nachvollziehbar. Insbesondere bei der zunehmenden Macht von Konzernen im Hinblick auf Informationskontrolle ist das ein ernstzunehmendes Problem.

Wenn wir nicht-staatliche Zensur auf die leichte Schulter nehmen, ist der Weg zur Akzeptanz staatlicher Zensur schneller geebnet als uns lieb sein kann.


Fotos: Die Fotocredits der verwendeten Bilder sind in den Dateinamen.

30 Kommentare

  1. Oliver says:

    Haha, und das ausgerechnet von Herrn Zens-Urbach, der natürlich freie Meinungen vollkommen akzeptiert und gut heißt, so lange es die eigene Meinung ist. :-D

  2. Danke für diesen Beitrag zur Debatte. Ich habe meinen Post geschrieben, weil mir die Trennschärfe fehlt. Ich halte nach wie vor staatliches Informationskontrolle hat aufgrund der Machtposition des Staates einen noch krasseren Stellenwert als privatwirtschaftliche Kontrolle von Informationen und mir geht es da um die Differenzierung, denn wie ich schon schrieb ist mir persönlich wichtig, keine sprachlichen Fakten zu schaffen, was die Position von Firmen angeht.

    Das selbstgehostete Infrastruktur nicht die Lösung im Kampf gegen privatwirtschaftliche Kontrolle sein kann, teile ich ja genauso

    • John F. Nebel says:

      Ja, diese Unterscheidung ist sehr wichtig, da wir es mit vollkommen anderen Akteuren zu tun haben. Ich halte nur die weitverbreitete Einschätzung „Private Informationskontrolle/Zensur“ ist OK für falsch und gefährlich. Und ich fordere Transparenz auch bei der „nicht-staatlichen Zensur“, damit es nachvollziehbar bleibt, wo und warum jemand in den Informationsfluss eingegriffen hat.

  3. itler says:

    Tja das ist halt das Grundproblem das jedes privatwirtschaftliche Unternehmen sich das Recht herausnehmen kann wer in seinen Läden einkauft und wer in seiner IT-Infrastruktur was schreiben darf.
    Dazu kommen dann noch nationale Kolorite die entsprechend Einfluß nehmen.
    Wer seine eigene Meinung vertreten will muß dann halt selbst für seine Plattform sorgen.
    Aber wenn ich sehe wie jedesmal die „DeppenVomDienst“ die URL von z.B. Facebook oder werkenntwen in die Suchmaske von GOOGLE eingeben ***AAARRRRGGGGHHHHHHH******
    QED …

  4. Ich halte die meisten Aussagen im Beitrag für treffend und richtig. Die Schlussfolgerung dass es etwas schlechtes sei in privaten Mini-Medien wie Blogs oder auch noch der Lokalzeitung Kommentare u.ä. zu entfernen die einem nicht gefallen, würde ich stark abschwächen.

    Imho sollte man da eine Festlegung treffen ab wann ein Medium relevant wird (das kann z.B. sein wenn man >50% der Bevölkerung erreichen kann, oder auch bereits bei 1%) und danach unterscheiden.
    Wenn ich ein „Medium“ habe, welches ganz klar nicht von relevanten Anteilen der Bevölkerung wahrgenommen wird, kann ich die ganze Sache eh völlig entspannt betrachten.
    Wenn ich jedoch deutlich mehr Personen erreiche als alle anderen Stellen bei denen sich der Kritisierende äußern könnte (vlt. auf „mit vertretbarem Aufwand“ beschränkt) dann sollte man langsam anfangen sich ernstere Gedanken darüber zu machen. (z.B. wenn ein Kommentar in der nächstgrößeren Zeitung, oder ein Post auf einem schnell geklicktem, eigenen Blog eh mehr Personen erreichen würde als das was ich gerade Lösche)

    Sprich: Wenn ich faktisch garnicht in der Lage bin Informationen zu unterdrücken, sondern nur die Zusammenstellung der Informationen auf meinem privatem Medium zu beeinflussen, dann halte ich das nicht für negativ dies zu tun.

    …Das bringt mich natürlich nicht dazu anzufangen auf meinem Blog jetzt Kommentare zu löschen die nicht meiner Meinung entsprechen. Im Gegenteil ich finde das dies in der allgemeinen Wahrnehmung eher dem Ansehen der von mir formulierten Standpunkte schaden würde als wenn ich wenigstens Versuche Gegenargumente zu liefern oder sogar die Meinung einfach nur ignoriere.

  5. Marc says:

    Der Unterschied zwischen Zensur und wenn ich einen unliebsamen aber straf- oder zivilrechtlich irrelevanten Kommentar in meinem Blog rauswerfe, ist der, dass der Kommentator seine Anmerkungen woanders – vielleicht in seinem eigenen Blog oder auf einer Plakatwand etc. – veröffentlichen kann. Wäre es Zensur, würde der Staat diesen Kommentar überall wo er kann, verbieten und löschen.

    Und deswegen ist es keine Zensur, wenn Facebook, ein Forum oder ein Blogger einen Kommentar löscht.

  6. hebot says:

    Facebook als privates Unternehmen bietet seinen Nutzern einen Dienst und dieses kann es zu seinen eigenen Konditionen tun. Auch wenn ich mir wünschen würde, dass bestimmte Kommentare nicht gelöcht würden, sehe ich dagegen keinen regulatorischen Ansatz („Ihr müsst diesen Kommentar auf ihren Servern hosten“). Die Verwendung des „Zensur“-Begriffs in diesem Zusammenhang führt imo zu seiner Verwässerung.
    Das Problem sehe ich eher in der wahrgenommenen Monopolstellung von FB. Wahrgenommen daher, dass es nicht sonderlich aufwändig ist seine eigene Website zu hosten und dort beliebige nicht-strafbare Inhalte ohne Angst vor Informationskontrolle zu verbreiten (ok trollige copyright takedown notices ausgenommen).

  7. Struppi says:

    Ich sehe das ähnlich wie hebot. Einer private Firma, die im Internet ihre Dienste anbietet und in ihren AGB klar ausdrückt was sie dort zuläßt oder verbietet, kann doch niemand wirklich ernsthaft Zensur vorwerfen?
    Wenn man so Argumentiert müßte man von der Bildzeitung verlangen können, dass sie jeden Tag auch Auszüge aus dem Parteiprogramm der Linken veröffentlicht.
    Und ich glaube nicht, dass z.b. Facebook irgendwo schreibt, dass sie für den freien Austausch jeder Meinung stehen. Ich habe den Eindruck, dass mittlerweile viele gar nicht mehr verstehen, was sie da eigentlich benutzen und mit welchen Einschränkungen das vesehe ist.

    Daher ist es gut, dass es noch Blogs gibt – so wie diesen hier.

  8. Urs Zen says:

    Das Entfernen von fremdem Graffiti von der eigenen Hauswand ist dann wohl auch Zensur?
    Oder wenn ich mich weigere in einem Brief an meine Oma noch die Meinung meines Nachbarn über das Wetter unterzubringen: Zensur!

    Nein.

    Zensur ist nicht wenn ich meine begrenzten Ressourcen nicht jedem für seine Meinungsäußerung zur Verfügung stelle, sondern wenn er KEINE Möglichkeit hat seine Meinung zu äußern. Auch dass jemand mit den richtigen Ressourcen (Geld, Beziehungen, Einfluss) mehr Möglichkeiten hat als jemand ohne diese Ressourcen ist keine Zensur.

  9. Chuck says:

    Eventuell mache ich einen Fehlschluss, aber hat jemand anderes das Recht, von mir die zur Kenntnisnahme seiner Meinung zu fordern?
    Wenn ich einen Blogbeitrag poste oder irgendwie sonst meine Ansicht ins Netz puste, so mache ich das als Angebot an jemanden anderes, meine Meinung zur Kenntnis zu nehmen. Ich würde kein Recht daraus ableiten, dass jemand diese auch Wahrnehmen *muss*. (Leider) bin ich der Meinung, dass jeder das Recht auf Ignoranz meiner Meinung hat.

    JFN argumentiert, dass eine Störung des Informationsflusses Zensur sei.

    In einer Interpretation würde ich die Aussage so auffassen, dass jemand das Recht hat, dass seine Meinung im Kontext (Kommentar zum Blogpost oder so…) auftauchen muss. Ich sehe nicht, woraus jemand denn nun diesen Anspruch gegenüber mir ableiten kann.

    In zweiter Interpretation würde ich die Aussage auf die Vorauswahl von Meinungen anderer auffassen, die dritte betreffen. Und da gebe ich KFN voll recht, dass ich damit in das Recht irgendwelcher dritten eingreife, für sich selbst entscheiden zu können, was sie ignorieren möchten.

    Am Ende läufts drauf hinaus, dass
    * Kommunikation mit mir nur mit/ohne meiner Ignoranz läuft
    * Kommunikation über mich (als Proxy) das Recht auf Ignoranz von zweiten und dritten berührt.

    Darum würd ich in meinem *persönlichen* Blog keine Kommentare zulassen, damt niemand ein Recht auf Kommunikation *über* mich ableiten kann. (aber ich kommentiere gerne bei anderen Blogs usw. mit *hust* *hust* )

  10. Betroffener says:

    Interessant! Das im Posting von John Nebel Gesagte sollte sich vielleicht auch mal Deutschlands Oberblogger, Bildblog-Gründer Stefan N., zu Herzen nehmen. Denn N. löscht munter und intransparent Beiträge, die ihm nicht passen oder das Meinungsbild in eine ihm nicht genehme Richtung drücken könnten. Ist mir bereits mehrmals passiert, weshalb ich es inzwischen aufgegeben habe, bei N. zu kommentieren (was das Meinungsbild bei ihm im Blog natürlich weiter verzerren dürfte). Und übrigens: Nein, meine Beiträge waren weder juristisch heikel noch beleidigend noch off-the-topic, und auch nicht überlang (eher recht kurz). Sie haben lediglich dem Blogbetreiber widersprochen, worauf sie gelöscht wurden (oder genauer: nie auf der Website erschienen sind). So kann man natürlich auch Meinungsmache betreiben…

  11. Betroffener says:

    Was Azrael Tod oben zum Thema „Relevanz eines Blogs“ sagt, halte ich in diesem Zusammenhang für wichtig. Das Stefan N. Blog, das munter Andersdenkende löscht, ist eben keine private Mini-Bude, die 10 oder 20 Leutchen pro Woche lesen, sondern kann von der „Wichtigkeit“ und gesellschaftspolitischen Relevanz her her inzwischen durchaus mit kleineren und mittelgroßen Onlineauftritten „echter“ (journalsitischer) Medien mithalten. Pro Artikel bis zu 150 oder 200 Reaktionen – das müssen die „Großen“ erst mal schaffen…

    Wie aber würde es die Allgemeinheit finden, wenn http://www.ard.de oder http://www.sueddeutsche.de nur bestimmte Meinungen zuließen und alles löschen würden, was der Chefredaktion nicht genehm ist? Genau: Empörung, Proteste, Shitstorm. Und zwar nicht zu Unrecht – eine gewisse Objektivität und Neutralität erwartet man mit Recht von den genannten Leitmedien.

    Somit ist es nict zu tolerieren, wenn „wichtige“ Blogger zu schnell mit der Löschkeule unterwegs sind. Weil sie eben auch durchaus eine gesellschaftliche Funktion wahrnehmen, somit Verantwortung tragen – und dann ist’s eben vorbei mit dem „kleinen, privaten Blog, wo ich alles machen kann, was ich will“.

    • Armin says:

      Und was waere andersherum wenn ARD und Sueddeutsche alles zulassen? Wie gross waere das Geschrei wenn dort lauter Kommentare von Neo-Nazis auflaufen?

  12. Betroffener says:

    Lieber Armin,
    es macht für Sie also keinen Unterschied, ob Rechtsradikale strafrechtlich bedenkliche Hetzereien loslassen (was ich keineswegs befürwortet habe – bitte genau lesen!) oder ob Andersdenkende lediglich ihre persönliche, strafrechtlich unbedenkliche, jedoch eben abweichende Meinung äußern? Kann ich nicht glauben.

    Nochmal: Ich breche hier keine Lanze für Pöbeleien irgendwelcher Art. Ok? Ich spreche davon, dass es bedenklich ist, wenn meinungsrelevante(!) Blogger ihnen nicht genehme Meinungen „zensieren“, um den falschen Eindruck zu erwecken, die überwiegende Mehrheit der Blogleser würde genauso denken wie der „Herr des Hauses“. Das ist nicht nur extrem unsouverän, sondern eben viel mehr als das: es ist perfide und gefährlich für die gesunde Meinungsbildung. Denn wir wissen ja aus der Psychologie: Kaum jemand traut sich, eine abweichende, eine Minderheitsmeinung zu vertreten. Und wenn man den falschen Anschein erweckt, bestimmte Ansichten seien die einer Minderheit, missbraucht man eben seine Macht als „wichtiger“ Blogger.

    Und um auch das nochmal klarzustellen, ehe mir das der Nächste hier unterstellt: Jeder kleine Privatblogger kann gerne löschen und selektieren (auch wenn ich’s bei denen genauso erbärmlich finde). Die ein oder zwei dutzend Blogger jedoch, die inzwischen meinungsrelevant sind, sollten sich vielleicht ab und an ein paar Gedanken dazu machen, was ihre Pflichten als journalistisch tätige Staatsbürger sind (wow, das habe ich jetzt unheimlich staatsmännisch ausgedrückt, was?).

    • Armin says:

      Worauf basiert Deine Annahme dass alles was Neo Nazis ablassen gleich strafrechtlich bedenklich ist? Da habe ich so meine Zweifel dran. Vieles was die behaupten duerfte rechtlich gesehen auch nur eine „abweichende Minderheitenmeinung“ sein. Du machst es Dir da etwas zu einfach.

      • fratermalus says:

        Wo ist denn da das Problem? Neo-Nazis dürfen auch ihre Meinung äußern, und wenn sich dann mehrere Leute darüber empören, ist das ebenfalls ihr gutes Recht.

        1. Neo-Nazi gibt seine Meinung ab.

        2. Nicht-Neo-Nazi empört sich darüber.

        Fertig, beide durften ihre Meinung sagen, der Neo-Nazi zur Sache, der Nicht-Neo-Nazi zur Beteiligung des Neo-Nazis. In einer Umgebung, in der jeder seine Meinung äußern darf, kommt es eben mal vor, dass sich jemand empört, drauf geschissen.

  13. Betroffener says:

    Wohl gesprochen, fratermalus.

    Grundsätzlich frage ich mich aber, wieso Armin hier dauernd die Neonazi-Platte spielen möchte.
    Das, was ich beispielsweise dem Promi-Blogger Stefan N. (aber auch allen anderen, die missliebige Kommentare löschen) ankreide, hat damit rein gar nix zu tun. Könntest Du also vielleicht wieder zum Thema zurückkehren, Armin? Zur Erinnerung: Es ging nicht um rechtsradikale Kommentare, sondern um komplett harmlose – die lediglich eine etwas anders gelagerte Meinung wiederspiegeln.

  14. John F. Nebel says:

    Wir haben hier auch keinen Bock auf rassistische, sexistische, homophobe oder sonstwie menschenverachtende Kommentare – auch wenn sie keinen Straftatbestand erfüllen. Wir haben hier wenig Lust, für rassistische, frauenfeindliche, homophobe oder sonstwie unmenschliche Kommentare einen Raum zu geben, indem sich Nazis austoben können. Auch aus dem Grund, dass es politisch bescheuert ist, Gruppen Raum zu gaben, die der Meinungsfreiheit diametral entgegenstehen. Wenn sich mal ein Nazi verirrt, kann man ihn tatsächlich einfach ignorieren oder in den folgenden Kommentaren argumentativ angreifen. Wenn es richtig viele wären, sähe das vielleicht anders aus.

    Wichtig ist in jedem Fall – ob nun kleines Blog oder Massenmedium – dass gelöschte Kommentare transparent gemacht werden und dass ein Löschen begründet wird. So wird wenigstens den Kommentatoren klar vor Augen geführt, warum ein Kommentar nicht akzeptabel ist. Und auch dann sollte diese private Form von Zensur das allerletzte Mittel der Wahl sein. Wenn ich nur bestimmte Meinungen zulassen will, ist das doch ein sonderbares Verständnis von Diskussionskultur.

    Bei den großen Blogs sehe ich deren Löschfreudigkeit übrigens oftmals der Sorge um Reputation geschuldet. Die Kommentare werden als Teil des Inhalts gesehen. Deswegen will niemand Trollen, Beleidigern, Nazis, Verschwörungstheoretikern, Vereinfachern, Superfreaks und „Die Regierung gehört abgeknallt“-Idioten das Feld überlassen, wenn deren Schwachsinn auf die Reputation deiner Inhalte abfärbt. Was ja tatsächlich auch so ist und deswegen ein Problem darstellt.

    Und eine Sache noch:
    Ich frage mich ja immer, ob diese Naziplatten-Meinungsfreiheitsleute wirklich radikal für Meinungsfreiheit eintreten oder die Meinungsfreiheit nur als Vehikel nutzen, um verkappt ihren Nazischeiss zu verbreiten.

    Und noch was:
    Wir sind ja hier bei Metronaut sehr zufrieden mit der Kommentarkultur. Es gibt sehr viele gute Kommentare, in denen Leute auf die Argumente ihrer Vorredner eingehen und sich und uns mit Respekt begegnen. Es entstehen Diskussionen und der Ton ist oftmals gut. Und wenn sich mal ein Menschenverachtender Idiot hierher verirrt, dann bekommt er auch eine angemessene Reaktion von den anderen Kommentatoren. Danke dafür.

  15. Jeeves says:

    Wenn auf meinem Blog jemand nervt, oder wenn mir jemand allzu doofe oder beleidigende Mails zuschickt, wird er gesperrt, fliegt raus, seine Daten kommen in den SPAM-Ordner.
    Von mir aus kann da jemand ZENSUR kreischen. Das ist mein Leben, es sind meine Nerven, es ist mein Stolz und ich wehre mich natürlich gegen Deppen, die mir zu nahe kommen. Ich töte sie nicht, ich haue sie nicht, ich beleidige sie nicht mal, ich sperre sie nur einfach aus, ich will keinen Kontakt. Ich diskutiere mit denen auch nicht.
    Das ist nicht „Zensur“. Wer so etwas behauptet, macht wirkliche, nämlich staatliche (und oft existenzbedrohende bis tödliche) ZENSUR belanglos. Ähnlich wie der inflationäre Gebrauch des Wortes „faschistisch“, „Nazi-Methoden“, „Holocaust“ etc. bei Nichtigkeiten oder gar nur bei persönlichen Befindlichkeiten, die durch eine andere (vor mir aus: deutliche bis heftige) Meinung etwas gestört wurden.

  16. Betroffener says:

    Oje. Ich geb’s auf.

    Es ging nicht um Trolle, Beleidiger, Nazis, Verschwörungstheoretiker, Vereinfacher, Superfreaks und “Die Regierung gehört abgeknallt”-Idioten. Es ging vielmehr um themenbezogene, sachliche, höfliche, die Diskussion belebende Kommentare, die dennoch gelöscht werden (und deren Löschung natürlich auch nicht begründet wird), weil sie dem Chefblogger nicht ins Weltbild passen. Oder die – noch schlimmer – in Auszügen veröffentlicht werden, die den Sinn des Gesagten ins Gegenteil / ins Groteske verkehren (ist mir auch mehrmals passiert bei einem anderen deutschen Oberblogger, bei dem ich mich daraufhin ebenfalls ziemlich geschockt verabschiedet habe).

    Aber es ist wohl guter deutscher Brauch, dass wirklich jedes Thema binnen 5 Minuten ins die Nazi-Ecke gezerrt und damit kaputt gemacht wird. Schade eigentlich, denn das erschwert sachliche Gespräche ungemein.

    Schön, dass wenigstens hier bei Metronaut nicht (bzw. erst im Extremfall) gelöscht wird.
    Trotzdem Tschüs, das bringt nix mehr.

  17. Freie Sklavin says:

    Also solange das Internet so installiert ist wie heute (noch), also vollkommen dezentral, kann von Zensur bei Nichtveröffentlichung von Kommentaren keinerlei Rede sein, sei das nun gar in sogenannte „meinungsrelevanten“ (also größeren) Blogs oder auch in Kleineren. Die Debatte geht am eigentlichen Punkt vorbei bzw. bräuchte schlicht gar nicht stattfinden.

    Wie oben auch bereits gesagt, hatten wir auch die Erfahrungen mit dem Gründer des Bildblog Herrn N. was die Vorenthaltung von Texten anging, also schreien wir da nicht lauthals ZENSUR, sondern bereinigten einfach unsere Lesezeichenliste und fertig ist der Lack.

    Schließlich haben WIR die Möglichkeit, selbst einen Blog zu starten und unseren wohlfeilen Senf „unzensiert“ zum Besten zu geben.
    Manch ein Zeitgenosse verwechselt den Fakt Freiheit = die Meinung überall hinausposaunen zu dürfen allerdings mit der gleichzeitigen Pflicht der Anderen, sich jeden Blödsinn mit den gottlob reichlich vorhandenen Wahrnehmungssinnen dann auch als Konsument antuen zu müssen.

    Übrigens gestatten wir z.B. niemandem, in unserem Wohnraum zu rauchen, als Freiheitseinschränker an irgendjemanden sehen wir uns deshalb nicht und wer sich „gemaßregelt“ fühlt, kann sich gern die Tür von außen ansehen, sowenig Toleranz muß manchmal sein ;-)

  18. Betroffener says:

    (hab nochmal kurz zum Fenster reingeschaut)

    @Sklavin: Ihr Vergleich mit den „ungebührlichen Gästen im Wohnzimmer“ trifft es nicht so ganz, und das ist es, was mich an dieser Diskussion mit den ach so „privaten“ Bloggern immer ziemlich stört. Denn: Was in Ihren privaten Räumen abgeht, ist privat, richtig. Da können Sie einen Gast gerne auch mal den Mund verbieten oder als ultima ratio rauswerfen – Hausrecht und so. Sehe ich ähnlich.

    ABER: Meinen Sie wirklich, dass das Internet (Hallo: das INTERNET!) wirklich „privat“ ist? Dass das, was Sie für 6 Milliarden Erdenbürger öffentlich und gut lesbar an ihre digitale Plakatsäule schreiben, Ihr ganz privates, heimeliges Vergnügen ist, das niemanden was angehen darf? Dass man die öffentlichste und zugänglichste Form des Kommunizierens auch nur annähernd mit dem vergleichen kann, was zwischen Ihrem halbdutzend Gästen in Ihrem Wohnzimmer hinter dicken Steinmauern abgeht? Also bitte… klingt das nicht wenigstens ein ganz klein wenig schizophren? Einerseits einen auf höchst privat machen und andererseits das im Internet zu tun – äh?

    Komisch auch, dass mir niemand in puncto „gesellschaftliche Verantwortung journalistenähnlicher Oberblogger“ widerspricht (siehe meine Postings vom 23.03.). Ich hätte schon erwartet, dass mir da der eine oder andere widersprechen möchte – oder liege ich da womöglich gar nicht so falsch?

  19. Freie Sklavin says:

    Zu Betroffener:

    Warum sollte jemand -oder meine Wenigkeit- da widersprechen was dieses – Zitat:
    “ in puncto “gesellschaftliche Verantwortung journalistenähnlicher Oberblogger”“ angeht?

    Also meiner Meinung gibt es da keinerlei „besondere Verantwortung“ nur weil sich da nominal mehr rumtummelt, das ist übrigens der gleiche Irrtum dem z.B. die ganze oberste Politikerschaft seit Jahrzehnten aufsitzt, nämlich in dem Fall zu glauben, diese unsägliche BILD (oder auch andere „große“ herkömmlichen Zeitschriften) spielten irgendeine besondere Rolle, ja man „käme da [um die BLÄH] überhaupt nicht drumherum“, nur weil die viele ihrer Schwarten täglich absetzen (oder es zumindest behaupten aber das nur am Rande).

    Das Geschmiere oder Getexte von wem auch immer ist zunächst vollkommen irrelevant, auf den Konsumenten SELBST kam & kommt es an und in modernen Zeiten heißt das eben nicht mehr keine BLÄH kaufen sondern im Mitmach-Meinungs-Web die Blogs meiden, die unsinnig und / oder grundlos Texte vorenthalten (wie gesagt kenne da auch viele) und/oder einen eigenen aufmachen wenn man unbedingt öffentlich rumsenfen will oder muß.

    Wer das anders sieht, ist ja gar nicht selbst meinungsfähig und braucht offenkundig seine vorturnenden Meinungsmacher um überhaupt ein Thema zu haben, sei es, um denen ständig nur zuzustimmen, die zu widerlegen oder beides.
    Wer so denkt und handelt, hat sich bereits selbst die (Meinungs)Fessel angelegt – womöglich ohne es zu merken.

    Sieht man daran, daß clevere Webseitenbetreiber (Hut ab übrigens) mit großen Traffic als „journalistenähnlicher Oberblogger“ vollkommen überbewertet & bezeichnet werden und denen gar eine „Verantwortung“ (für was denn) andichtet – wahrscheinlich, um selbst keine V haben zu müssen -zwinker-

  20. Betroffener says:

    Ihr theoretisch sinnvoller Enthusiamus für basisdemokratische Grassroots-Meinungsbildung in allen Ehren, nur: in der grausamen Praxis haben die drei Millionen BLÄH-Zeitungsleser eben auch drei Millionen Stimmen, sei es bei Wahlen, an den Stammtischen oder in heimischen Wohnzimmern – und die 68 Leser des Sklavin-Blogs eben auch nur 68.

    Insofern ist es eben auch ungefähr vierundvierzigtausend mal gewichtiger, was z.B. im BLÄH-Forum und auf den Leserbriefseiten der BLÄH debattiert wird als das, was im Sklavin-Blog geschrieben und diskutiert wird. Auch wenn’s weh tut: Jeder hat nur eine Stimme – doch die Doofen sind oftmals krass in der Überzahl. Und auch wenn Gewicht nicht automatisch auch Bedeutung, Sinn und Verstand bedeutet – die Waage drückt’s eben doch nach unten, wenn auf der einen Seite 3 Mio Doofe sitzen und auf der anderen 68 Kluge. Newton und so.

    Insofern halte ich es durchaus für wichtig, ob bei den Oberbloggern nach fairen, transparenten Regeln gespielt oder gemogelt wird. Schlicht weil die mehr Hebelwirkung haben – mein meinungsfesselfreies Privatblog und dessen 7 oder 23 oder auch 68 Follower hingegen eben nicht die Power haben irgendwas Nachhaltiges zu bewirken in Politik, Gesellschaft oder sonstwo. Man sollte die eigene Person nicht für wichtiger halten als sie ist.

  21. Yumni says:

    Würden wir in einem Rechtsstaat leben, dann könnte ja glatt Art. 5 des Grundgesetzes zutreffen, aber wir leben ja in Deutschland? der BRD?

    Grundgesetz Artikel 5
    (1 ) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. … Eine Zensur findet nicht statt.

    Aus dem Grundgesetz geht eben nicht hervor, ob eine staatliche oder nicht-staatliche Zensur gemeint ist, es besteht dort keinerlei Einschränkung.
    Damit gelten die Grundsätze der „freien Meinungsäußerung und das Zensurverbot“ grundsätzlich für „alle und jeden“, sowohl staatliche als auch für privatrechtliche Einrichtungen.
    Daraus ergibt sich, dass staatliche und privatrechtliche Unternehmen sich an die gegebene Gesetzeslage halten müssen.
    Also dürften FB, Google, irgendein Blogger eine Partei oder der Deutsche Bundestag nicht mal eben so einem Kommentar löschen oder entfernen lassen, nur weil er der eigenen Meinung widerspricht, wenn er nicht gegen geltendes Recht verstößt.
    Aber wo kein Kläger, da halt kein Richter!

    Eingriffe in die Freiheit der Meinungsäußerung durch nach dem Grundgesetz verbotene Zensur (Art. 5 GG) werden bislang hingegen nicht unter Strafe gestellt. Diese vom System eines Rechtsstaats her nicht zu rechtfertigende Strafbarkeitslücke ist zu schließen. Zensur ist strafwürdig.

    „Arbeit macht Frei“ ist heutzutage nicht mehr ganz so up to date, da trifft „Freiheit macht Arbeit“ schon eher zu. ;)

Antwort auf Betroffener Cancel Reply