Ungarn wird autoritärer – und die CDU findet das gut so

Demonstrantin im Dezember 2012. Foto: CC-BY-NC-SA redjade

Zum vierten Mal seit ihrem Amtsantritt 2010 hat die rechtskonservative ungarische Regierung mit ihrer 2/3-Mehrheit die Verfassung geändert. Bei der jüngsten Verfassungsänderung wurde die Macht des Verfassungsgerichts beschnitten. Das Gericht hatte zuvor einige Gesetze der Orbán-Regierung kassiert. Deutsche Medien haben die verfassungsänderung mit drastischen Worten beschrieben, wie z.B. „Ungarn verabschiedet sich vom Rechtsstaat“. Und auch die UN hat Ungarn kritisiert, wie das Schweizer Tagblatt schreibt:

Das UNO-Menschenrechtskommissariat (UNHCR) hat die Verfassungsänderungen in Ungarn scharf kritisiert. Grund: Die Massnahmen seien ein Schlag für die Unabhängigkeit des Justizsystems des Landes. Die Änderungen seien ohne angemessene öffentliche Diskussion erfolgt, sagte UNHCR-Sprecher Rupert Colville am Freitag in Genf. Die Inhalte könnten „tiefgreifende Auswirkungen auf die Wahrnehmung der Menschenrechte durch das ungarische Volk“ nach sich ziehen. Bedroht seien „die Unabhängigkeit der Justiz, die Autorität und Rechtsprechung des Verfassungsgerichts“ und „der Rechtsstaat an sich“.

Alles in allem harter Tobak für einen EU-Mitgliedstaat:

  • Pressefreiheit eingeschränkt
  • Obdachlose mit Geldstrafen und Haft bedroht
  • ungarische Studenten müssen nach dem Studium für die doppelte Zeit ihres Studiums in Ungarn arbeiten, ein grober Verstoß gegen das Recht auf Freizügigkeit
  • Wahlwerbung in privaten Sendern wird verboten. Das legt die Kontrolle über Wahlwerbung in die von der Orbán-Regierung kontrollierten staatlichen Medien
  • Stärkung der Rolle des Ministerpräsidenten zu Lasten des Verfassungsgerichtes
  • Gleichgeschlechtliche Ehe qua Verfassung verboten
  • Zuständigkeit von Gerichten wird von Regierung kontrolliert: Die vom Ministerpräsidenten ernannte Leiterin des Nationalen Justizamtes bekommt eine Vollmacht, um in bestimmten Fällen die Gerichte zuzuweisen.
  • Eingriff in die Finanzautonomie von Universitäten

Nebenbei verleiht die ungarische Regierung Preise an antisemitische Journalisten, bei Diskussionsveranstaltungen in Berlin schüchtern Botschaftsvertreter Oppositionelle mit Kameras ein. Insgesamt gedeiht da etwas, was sich sehr stark von demokratischen Standards entfernt, wie man z.B. in diesem englischsprachigen Dossier durchlesen kann. Bei der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung hingegen liest sich die Analyse der Verfassungsänderungen gleich weniger schlimm. Insgesamt scheint man in der Union wenig Probleme mit der rechten Regierung in Ungarn zu haben:

„Die Regierung Orbán hat sich den EU-Regeln unterworfen.“ Man müsse zwischen dem Bruch von EU-Regeln auf der einen und der Innenpolitik Ungarns auf der anderen Seite unterscheiden. „Letzteres geht uns nichts an“

sagt der CDU EU-Mann Elmar Brok dem Cicero. Im Europaparlament sitzen die CDUler gemeinsam mit den Fidesz-Leuten in einer Fraktion, der Europäischen Volkspartei. Doch dort denkt wohl niemand daran, die autoritäre ungarische Regierungspartei zu rüffeln oder gar rauszuwerfen. So findet CDU-Europagabgeorndeter Gahler:

Und ich bin jetzt auch in Ungarn zuversichtlich, dass diese Partei, die in der Regierung ist und im Übrigen zur Parteienfamilie der Europäischen Volkspartei, also der europäischen Christdemokraten, gehört, da gern da bereit ist, eben zu reagieren.

Angesichts der Marginalsierung der Opposition in Ungarn und der Entmachtung des Verfassungsgerichts, sind das schon schräge Töne.

Den Vogel jedoch schoss die Unions-Rechtsablegerin Erika Steinbach via Twitter ab, wo sie prahlte, dass sie in der Rechtspostille „Junge Freiheit“ die Ungarn in Schutz nehme:

steinbach

Dass die Steinbach den Orbán so toll findet, liegt an der völkischen Ausrichtung seiner Regierung. Zu diesem Aspekt gibt es ein ausführliches Interview bei Radio Corax.

2 Kommentare

  1. Volker Birk says:

    Das hast Du ja noch nett formuliert, was Du hier über die Nazi-Regierung in Ungarn schreibst. Deine Liste ist aber noch unvollständig:

    Denn die Nazis dort verfolgen bereits Entartete Kunst, siehe http://www.ardmediathek.de/das-erste/ttt-titel-thesen-temperamente/intellektuellen-hatz-in-ungarn-gefahr-fuer-die-demokratie?documentId=13199278

    Der nächste Schritt ist jetzt also, dass sie Bücher verbrennen, nachdem sie ja gerade den Rechtsstaat abgeschafft haben.

Antwort auf Volker Birk Cancel Reply