Prozess zu Pro-Guttenberg-Demo: Pikante Details offengelegt

Foto: CC-BY Fotografiona

Kilian A. (Name geändert) wollte am 5. März 2011 mit seinem Schild „Raubkopierer sind keine Verbrecher“ auf die Pro-Guttenberg-Demonstration am Brandenburger Tor. Nachdem er ein paar Minuten auf der Kundgebung war, wurde er von der Polizei des Platzes verwiesen, weil er der „linken Szene“ zuzuordnen sei. Dagegen hat Kilian A. vor dem Berliner Verwaltungsgericht auf Feststellung der Rechtswidrigkeit geklagt – und nicht Recht bekommen.

Das Gericht befand in der Urteilsbegründung (PDF), dass Transparente mit „Köpfe ab bei ARD und ZDF“ im Gegensatz zum Schild des Klägers mit der Aufschrift „Raubkopierer sind keine Verbrecher“ eine Unterstützung des ehemaligen Verteidigungsministers darstellten. Der Kläger habe mit dem Wort „Raubkopierer“ Guttenberg abwerten wollen, was eine Einschätzung der Polizei, der Kläger sei der „linken Szene“ zuzuordnen, zumindest irgendwie unterstütze.

Pikante Details in der Verfahrensakte

Am Rande des Verfahrens um die Pro-Guttenberg-Demonstration, die bei manchen Kommentatoren Freudentränen a la „Einen so massiven Auftritt der urbanen Spaßguerilla hatte Berlin lange nicht mehr erlebt“ auslöste, sind spannende und lustige Details zu Tage gekommen. Die Demonstration war von Aktivisten der Hedonistischen Internationale als christdemokratische Veranstaltung angemeldet worden – was die Polizei bis zum Ende der Veranstaltung nicht durchschaute.

So steht im Verlaufsbericht der Polizei, in den wir Einblick hatten:

„Der Versammlungsleiter, der während der Versammlung gegenüber Polizei und Presse seine Pro Guttenberg Haltung aufrecht erhalten wollte, „outete“ sich nach Abschluss der Veranstaltung als „Contra-Guttenberg“ in einem Presseinterview. Dieses Haltung, die weder im Rahmen des zuvor geführten Veranstaltergespräches noch zu Einsatzbeginn durch die eingesetzten Kräfte in der Erstphase erkannt werden konnte, führte zu erheblichen Irritationen auf allen Seiten. Der Versammlungsleiter täuschte bewusst und gewollt zum Thema; eine professionelle Bewertung konnte meines Erachtens so nicht erfolgen.“

Die Polizei fragte dann beim Justziar der Polizei an, ob sie rechtlich gegen die Satireaktion vorgehen könne und bekam folgende Antwort:

Nach Rücksprache mit Herrn [..] liegt hier kein Verstoß VersG vor. Die Darstellungsfreiheit der Satire wird vollumfänglich vom Versammlungsrecht getragen.

Toll sind auch weitere Aussagen in der Akte, die sich auf die angeblich mehr als 500.000 Facebook-Unterstützer des Ex-Verteidigungsminister beziehen:

Zumindest anfänglich waren diese Zahlen als realistisch einzustufen, da sich die teilnehmer überwiegend über Facebook, Twitter und andere „social communitics“ organisierten.

Demonstrationsbericht direkt dem Verfassungsschutz weitergeleitet

Die Akten geben aber auch Aufschluss darüber, dass ein Bericht über die Demonstration von der Polizei direkt zum Berliner Verfassungsschutz gesendet wurde. Darauf verweist eine E-Mailadresse in den Akten. Interessant, dass dies bei einer völlig friedlichen satirischen Aktion geschieht.

Und es gibt weitere pikante Details, die auf das Denken bei der Polizei schließen lassen. So ist in den Akten mehrfach ein Verweis auf eine „linksorientierte Presse“ zu lesen:

Die vielfach in Erscheinung tretende linksorientierte Presse begleitete mit Ton und Bild die Handlungsabfolge der eingesetzten Kräfte.

Bei der Berliner Polizei wird also zwischen linken und nicht-linken Journalisten unterschieden. Auf ebenjener politischen Einordnung wurde übrigens auch dem Kläger Kilian A. der Zutritt zur Demonstration verwehrt. Und das, obwohl der Anmelder der Pro-Guttenberg-Demo immer wieder der Polizei – die ihn drängte „Linke“ aus der Demo zu werfen – sagte, dass alle an seiner Demonstration teilnehmen dürften.

12 Kommentare

  1. Ronald Gläser says:

    Was ist jetzt daran falsch, daß die Polizei Journalisten politisch einordnet? Das gehört doch zu ihren Aufgaben, wenn sie ein Lagebild erstellt, oder nicht?

    Ich kann da keine unangemessene Diskriminierung (oder was auch immer der Autor hier unterstellen will) erkennen.

    • John F. Nebel says:

      Ich finde es schon befremdlich, wenn Polizeibeamte die Presse auf einer Demo in links, rechts, was weiß ich einordnen. Mich würden ja auch die Kriterien für sowas interessieren? Oder kennt man Journalisten XY und weiß, dass er für das „Neue Deutschland“ schreibt? Und was ist überhaupt linke Presse? Das ist doch totaler Quatsch und auch für eine polizeiliche Lageeinschätzung vollkommen irrelevant, da Pressevertreter ja in der Regel beobachtend an Demonstrationen teilnehmen in ihrer Rolle als Journalisten. Eine Einordnung impliziert ja auch ein ggf. anderes Handeln gegenüber den Eingeordneten.

      Will das nicht mal ein Piraten/Grüner als kleine Anfrage raushauen? Mich würde die Antwort brennend interessieren:

      1) Die Berliner Polizei hat bei der Versammlung „Pro-Guttenberg“ am Pariser Platz am 5. März in einem Polizeibericht Journalisten als „linksorientierte Presse“ eingeordnet. Warum hat sie das getan?

      2) Nimmt die Berliner Polizei bei Versammlungen generell eine politische Einordnung von Pressevertretern vor?

      3) Wenn ja: Warum nimmt die Berliner Polizei eine solche Einordnung vor?

      4) Ist eine solche Einordnung gesetzlich gedeckt?

      Spannend wären auch Anfragen, die prüfen, welche Versammlungen der VS geschickt werden und wie hier die Praxis ist.

      Also los!

      2) Wenn ja

  2. Juerga says:

    Ich vermute, dass die Personen, die die Presse abwertend als „links“ bezeichnen, rechte Spinner oder rechtsradikal sind. Man schaue nur in den Kommentaren auf der Webseite der „Jungen Freiheit“, ein rechtsradikales Schmutzblatt.

  3. Norbert Stephan says:

    Ob die Polizei Demonstranten in verschiedene Kategorien eingeordnet ist eine Sache. Dass sie einzelnen Menschen nach Gutdünken den Zugang zu Demonstrationen verwehrt oder ihnen gar einen Platzverweis erteilt, ist etwas ganz anderes und sollte nicht toleriert werden. Eine gesetzliche Grundlage hierfür gibt es nicht – schon gar nicht, wenn die Demonstration ausdrücklich für alle offen ist.

    Bedrückend ist, dass die Gerichte dies zum Teil decken, weil ihnen die Staatsräson wichtiger ist als die Grundrechte.

  4. martin däniken says:

    Wieder einmal zeigt wie leicht die Polizei überfordert ist wenn es um Satire und/oder Spassguerilla geht. Gott sei Dank hat man den Vorgang an die Einsteins und Durchblicker vom Verfassungsschutz weitergeleitet.!Roflcopter Und was das Einordnen von Journalisten angeht- wozu Polizist sein wenn man nicht Menschen Eenordnen oder einnorden darf,kann oder muss! Ordnung muss ja sein -sonst könnte man sich die Polizei und das Beamtentum sparen.

  5. Martin Fink says:

    Der Ausdruck „linksgerichtete Presse“ lässt auf eine Autorenschaft aus dem rechtsradikalen Umfeld schließen. Das ist der dort gebräuchliche Ausdruck.

  6. martin däniken says:

    Wie beschreibt sich denn die linksgerichtete Presse selbst? Auf-sich-selbst-gerichtete-Presse?! Gegemseitig im Zweifelsfall als Verräter an der Sache mal höflich und sachlich aber jeder der sich auskennt weiss was gemeint ist,oder… oder als jemand der keine Ideale mehr hat oder als jemand der Realitätswahrnehmungsstörungen hat im linken Klassenkämpferjargon,grins.

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