Kommentar: Was vom Podcast-Bus-Prozess bleibt

Der Ausgang des Podcast-Bus-Verfahrens ist ein schöner kleiner Sieg. Ich freue mich, dass jetzt auch richterlich festgestellt wurde, was wir ohnehin schon alle wussten: Die Beschlagnahme unseres Podcastfahrzeuges war mit dem Rechtsstaat nicht zu vereinbaren, sondern ein schwerer, zur Behinderung der Pressefreiheit geeigneter rechtswidriger Grundrechtseingriff durch die Polizei.

Es ist unser Sieg, weil wir uns von den winzigen Erfolgsaussichten einer Klage vor dem Verwaltungsgericht nicht haben abhalten lassen?? Aber es ist vor allem auch der Sieg all jener von euch, die für diesen Prozess gespendet haben. Ohne eure Hilfe hätten wir das erhebliche Kostenrisiko niemals auf uns nehmen können. Dieses Gerichtsurteil wurde durch die Leserinnen und Leser von Metronaut gecrowdfunded. Es ist auch euer Urteil, es ist auch euer Sieg, es ist auch eure Belohnung für diesen Einsatz zur Verteidigung der Grundrechte. Danke dafür, ihr seid die Besten.

Doch was bleibt von alledem? Für mich ein lachendes und viele weinende Augen.

Denn was sich gestern vor dem Verwaltungsgericht zugetragen hat, war gleichzeitig ein Skandal. Zum Glück wollten die Richter im Prinzip gar nicht klären wie der Ablauf der Dinge war. Sie haben ihre Entscheidung stattdessen an den Teilen der Ereignisse festgemacht, die zwischen Klägern (uns) und Beklagten (Polizei) unstrittig waren.

Dabei hat die Polizeidirektion Lüneburg allerdings alles aufgefahren, um uns vor dem Gericht in Misskredit zu bringen. Das ging los, dass die Justiziarin der Polizei uns als „dubios“ und „zweifelhaft“ darzustellen versuchte und die Folgen des Polizeieinsatzes als Lappalie runterspielte. Ganz nach dem Motto: Irgendwelche dahergelaufenen Internetfritzen genießen doch keine Pressefreiheit.

Aus Hamburg war dann nicht nur eben jener Polizist der Bereitschaftspolizei angereist, der die Sicherstellung als Gruppenführer durchgezogen hatte, sondern auch der damalige Einsatzleiter. Der hatte im Vorfeld des Prozesses behauptet, er hätte mit uns gesprochen und versucht, die Maßnahme (Sicherstellung des Fahrzeugs samt Equipment) abzuwenden und stattdessen mildere Mittel (Sicherstellung einzelner Gerätschaften) anzuwenden. Ganz der Polizist mit Augenmaß!

Doch: Diesen Menschen haben John und ich gestern zum ersten Mal in unserem Leben gesehen. Ganz entgegen seiner frei erfundenen Version der Realität. Dieser Einsatzleiter wollte sich aber scheinbar nicht die Finger schmutzig machen und seine in meinen Augen lächerliche Falschaussage vor Gericht wiederholen. Er wurde vor Ort nicht als Zeuge der Beklagten benannt.

Stattdessen schickte die Polizei eben jenen Polizisten ins Rennen, der die Maßnahme damals als unfreundlich-harter „Bad Cop“ durchgeführt hatte. Bereits im Rahmen der ständigen Klageerwiderungen im Vorfeld des Prozesses hatte er für mich augenscheinlich alles zu seinen Gunsten verdreht und gänzlich falsche Aussagen getätigt. Die Justiziarin der Polizeidirektion Lüneburg benannte diesen Polizisten nun zunächst als Zeugen und versuchte ihn per Beweisantrag als Zeugen vernehmen zu lassen. Als das Gericht sich wiederum kritisch zur Relevanz der möglichen Aussage dieses Zeugen äußerte und der Justiziarin durch die Blume zu verstehen gab, dass es vielleicht vernünftiger wäre, den entsprechenden Antrag zurück zunehmen, bestand diese jedoch auf der Vernehmung, die durch das Gericht postwendend abgelehnt wurde.

Zumindest für mich besteht kein Zweifel daran, dass dieser Polizist seine verdrehte Version der Wahrheit aus den Klageerwiderungen, die einzig und allein zur Rechtfertigung der Sicherstellung zusammengedichtet waren, ohne mit der Wimper zu zucken vor Gericht wiederholt hätte.

Gerade in Bezug auf den Umfang der falschen Darstellungen kann man selbst bei großzügigster Auslegung nicht zu dem Schluss kommen, dass sich der Polizist bei Erstellung der Klageerwiderungen einfach nicht mehr ausreichend erinnert haben könnte. Es handelt sich hierbei wohl schlichtweg um im Nachhinein zusammengedichtete Falschaussagen, die einen rechtswidrigen schweren Grundrechtseingriff irgendwie legal erscheinen lassen sollten.

Zu den Tatsachenverdrehungen gehört auch eine weitere, die gestern vor Gericht vorgetragen wurde: Wir wären ja einverstanden mit der Beschlagnahme des gesamten Busses gewesen, weil das weniger aufwendig sei und so das Equipment geschont werden könne. Ein dreister Versuch eine Zustimmung zur Polizeiaktion ins Feld zu führen. Dumm nur, dass wir gegen jede Maßnahme der Polizei schon während der Sicherstellung Widerspruch eingelegt hatten. Und dieser auch blöderweise auf dem Protokoll vermerkt ist. Aber man kann´s ja mal versuchen.

Dass dieses Verhalten für den Polizisten und den Einsatzleiter überhaupt keine Konsequenzen haben wird, dass diese Menschen heute schon wieder in Hamburg sitzen und morgen vielleicht im Rahmen einer durch das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit geschützten Versammlung auf andere Menschen losgelassen werden, macht mich wütend.

Solange es diese Mentalität in der deutschen Polizei gibt, diesen Korpsgeist und diese Kultur der Vertuschung und der Intransparenz gibt – und die Gerichte den Aussagen von Polizisten nicht mit einer entsprechend angebrachten Skepsis gegenüberstehen, sind willkürliche Grundrechtseingriffe vorprogrammiert. Sie werden in praktisch allen Fällen ohne nennenswerte Konsequenzen bleiben.

Das ist der eigentliche Skandal, an dem auch das gestrige Urteil nichts geändert hat.

2 Kommentare

  1. KLaus says:

    Diese Einstellung der Polizei merkt man inzwischen bei praktisch JEDER Demonstration. Insbesondere bei Belangen, die (auch) von linken Gruppierungen unterstützt werden, merkt man die Agressivität der Polizei.
    Ich war vor einigen Jahren bei einer Demo gegen die Vorratsdatenspeicherung – alles lief friedlich ab, so wie ich es auch von den CSD-„Demos“ kenne. Als ich einen Polizisten nach dem Weg fragte, erwiederte er die Frage mit einer Agressivität, die ich so bisher nicht kennengelernt habe.
    Offensichtlich ist in unserem Staat alles was als Demonstration daher kommt, GRUNDSÄTZLICH gegen den Staat – dabei ist das Demonstrationsrecht das WICHTIGSTE demokratische Element.
    Offensichtlich ist unsere Demokratie und mit ihr auch Polizei und insbesondere die Massenmedien noch nicht ausreichend reif für die Demokratie. Nur so ist es für mich zu erklären, warum bei uns Demos in allen Kanälen als „negativ“ dargestellt und der eigentliche Inhalt der Demo meist nur eine Randnotiz ist. Wichtiger ist unseren Medien ob es Randale gegeben hat, egal ob von der Polizei, von Provokateuren oder von Demonstranten verursacht. Selbst wenn nur 10 Personen Kastanien geworfen hat, ist das anscheinend wichtiger als das wogegen 10tausende protestieren…

  2. Zum Thema Mentalität in der deutschen Polizei und Korpsgeist siehe auch:
    https://www.kritische-polizisten.de/2018/09/polizei-nichts-hat-sich-wirklich-verbessert/

    Der Podcastbus-Prozess / das metronaut Urteil hat aktuell Relevanz vor dem Hintergrund von neuen Formen der Berichterstattung z.B. im Hambacher Wald, siehe #hambibleibt.

Hinterlasse einen Kommentar