Deutschland – dein Sommermärchen

Foto: CC-BY-NC Strassenstriche.net

Die Welt zu Gast bei Freunden: Nazis pissen auf Migrantenkinder. Rassistenpöbler blockieren Geflüchtete bei der Ankunft. Jeden Tag brennen geplante Unterkünfte. In Ost und West. Offener Rassismus hat sich endgültig die Straßen erobert. Der Mob aus der Mitte der Gesellschaft, der früher hinter vorgehaltener Hand seinem rassistischen Weltbild frönte, traut sich wieder was.

Und spätestens seit Pegida wissen die Normalos, Dummbatzen, Deutschlandfahnenschwinger, Lügenpresse-Rufer, Nazis und Rassisten, dass sich ihr Einsatz lohnt. Vom Vorsitzenden der Landeszentrale für politische Bildung, über Pegida-Patzelt bis zum trottelig-machtbewussten Sigmar Gabriel hört die Politik zu, wenn es um deren Deutschland, deren vermeintlich schützenswerte Kultur und die Abschottung des Landes geht. Mit Ressentiment, Hass und rechter Gewalt kann man sich Gehör verschaffen. Mit Rassismus und Brandsstiftung die Bundesregierung beeinflussen.

Innenminister de Maiziere, gerade noch auf Tauchstation in der Landesverrat-Affäre, kommt aus der Reserve und fordert jetzt eine Verschärfung der Asylgesetze. Ein paar Tage nach den Ausschreitungen von Heidenau und an dem Tag, an dem in Berlin eine geplante Unterkunft am hellichten Tag in Flammen aufgeht. Oberbürgerrechtler Gauck schwadroniert Stunden vorher vom Dunkeldeutschland und Siggi Gabriel vom Zerrbild, das die Rassisten erzeugen würden. Merkel redet von Toleranz und Würde. Und just in diesem Moment kommt de Maiziere um die Ecke – und kündigt die Umsetzung der Forderung ebenjener Rassisten an, die ihr Deutschland am verlassenen Praktiker-Baumarkt verteidigen.

Polizisten fahren Wasserwerfer auf, wenn sich ein verlorenes Häuflein 250 Aufrechter zum Schutz der Geflüchteten in Heidenau versammelt, Journalisten werden in Gewahrsam genommen, während der Rassistenmob am Abend davor ungestört sein Unwesen treiben kann.

Es fällt langsam schwer die phrasenhaften und späten Distanzierungen der Merkels, Gaucks und Tillichs ernst zu nehmen. Und nicht nur, weil wir in einem Land leben, dessen Inlandgeheimdienst den Nationalsozialistischen Untergrund ermöglichte und jede Aufklärung behindert. Es fällt schwer, wenn man die vielen Parallelen zu den 90er Jahren sieht, daran zu glauben, dass sich diese Regierung nicht irgendwie gerne vom rechten Normalo-Mob treiben lassen würde. Es fällt schwer, das rituelle Politik-Geseier von der Menschenwürde ernst zu nehmen, wenn die Flüchtlingspolitik dieses Landes auf Militarisierung, Mauern, Zäune und tausendfaches Ersaufen im Mittelmeer setzt.

Nun also kommt die Antwort der Bundesregierung auf die rassistische Gewalt auf den Straßen:

  • Weniger Asylanträge insgesamt
  • Längere Aufenthalte von Geflüchteten in Lagern
  • eine verschärfte Residenzpflicht und damit Einschränung der Bewegungsfreiheit
  • Sachleistungen statt Geld für die Geflüchteten
  • Mehr Länder als sichere Herkunftsländer einstufen

Lutz Bachmann, die AfD und die ganzen Rassisten aus der Mitte der Gesellschaft können stolz auf sich sein. Hand in Hand setzen sie mit der Bundesregierung ihre nationalistischen, völkischen und rassistischen Forderungen um. So geht Politik im deutschen Sommermärchen.

Das alles ist so widerwärtig, dass es mich nicht mal mehr auf die Straße treibt, sondern in bleiern-fassungloser Lethargie hinterlässt. Ich bin müde, dieses Land ist kalt und ekelhaft.

12 Kommentare

  1. „dass es mich nicht mal mehr auf die Straße treibt, sondern in bleiern-fassungloser Lethargie hinterlässt“

    That is how this works.

  2. Tobi says:

    Das eigentlich schlimme ist ja, dass es anderswo in Europa nicht besser ist, also selbst eine Auswanderung nicht hilft. Ich lebe in Großbritannien, wo das Land wegen knapp 2,000 Flüchtlingen in Calais in Panik ist und Armeeeinsätze fordert, und in so ziemlich allen Ländern feiern Rechte Parteien Rekordergebnisse und treiben die alteingesessenen Parteien vor sich her. Von Osteuropa, wo Hass auf Roma, Homosexuelle und Rassismus in vielen Ländern gesellschaftsfähig ist, und so Regierungen Zäune bauen und nur noch christliche Flüchtlinge akzeptieren wollen brauche ich gar nicht anfangen. Der Rechtsruck in ganz Europa ist erschreckend.

  3. lucy says:

    word!

  4. Was mich auch noch kotzend macht, ist die Gleichgültigkeit privilegierter Menschen, die vollkommen unaware sind und auch alles dafür tun, dass das so bleibt. Ich schaue mir öfter mal die Twitter-Feeds mir bekannter Spezl an. Da findet sich nicht ein Tweet zu dem, was hier gerade so los ist. Aber Lopreisungen an die Polizei und Nachfragen, wo den das Bild von Franz Josef Strauss abgeblieben sei, dass doch neulich noch im Zimmer hing.

  5. Chris says:

    Hey
    ich stimme Tobi in vielen Punkten zu , auch denn durchgelesen Artikel hat Hand und Fuß, selbst das abscheuliche , was da passiert ist vor allem in der S-Bahn macht mich immer wütender.
    Doch es sind immer noch Leute , die sich auch schweigende Mehrheit nennen, die durch aktive Hilfe denn Flüchtlingen willkommen heißen, es ist nicht jeder in Deutschland und Europa rassistisch, nein im Gegenteil. Diese Leute , wo ich mich deffenentiv auch dazu zähle, sind des Redens einfach müde, sie sind müde von denn leeren Versprechungen der Kanzlerin, Innenminister und Bundespräsident, die nur gute Worte finden nicht mehr.
    Was ist mit Europa?
    Wenn man doch da genau hinschaut ist es nicht besser las hier, das soll jetzt keine Entschuldigung sein. allerdings schäme ich mich als Europäer, die es leichter findet eine wirtschaftliche Einigung mit Griechenland zu finden und Milliarden Hilfzahlungen ausgeschüttet werden als die gerechte Verteilung der Flüchtlinge. Es werden nicht nur härtere Asylverfahren gefordert, nein, überall igelt sich die EU ein, die Eu und dazu meine ich hauptsächlich Deutschland, die mit Digtauren, Schlächter und andere suspekte Ländereien wirtschaftsgeschäfte in Milliarden von Euros abschlossen haben, ist das auch nicht ekelhaft und kalt. Das was wir miterleben, ist das Endprodukt wo vor allem die Deutschen aber auch die Europäer lange darauf hingearbeitet haben.
    Nun frage ich mich was kann ich dagegen machen. Im großen und ganzen nichts, das ist das frustrierende, allerdings hat das reden die Situation der Imitaten auch nicht verbessert. Ein ich helfe ehrenamtlich weiter, versuche Leute von der Idee von Solidarität und Verständnis der Flüchtlinge zu überzeugen. Ich gebe nichts auf die bürgerliche Angstschiene, das war vor 70 Jahren auch so, wo jeder hier gesagt hatte , er wisse von nichts… nur ich bin absolut dagegen, die Leute , die nichts sagen mehr wollen unter einen Deckmandel der Intoleranz zu stellen, wie schon gesagt, klar ist das abstoßend , wütend und ich schäme mich total was hier passiert, aber es sind Leute da die was dagegen machen und nicht nur reden…

  6. Roland Schmid-Paleski says:

    „Wir“ Aktivisten von „Moabit hilft“, denken vieles in deinem Artikel ist richtig und sollte die die es betrifft in tiefstes Grauen und Scham werfen, falls denen solche Gefühle überhaupt noch vertraut sind. Doch seit drei Wochen erleben wir hier in Moabit Menschen, die alles ihnen mögliche tun, um eine Humanitäre Katastrophe vor dem Lageso zu verhindern. Mit Taten, (mit Zorn auf die Verantwortlichen Versager, die sich vor Ort nicht blicken lassen) aber in erster Linie für die Menschen die zu uns kommen um eine Zukunft zu haben. Ich (WIR) wünschen uns nur eines möge jeder Stadtteil jede Stadt, jedes Dorf solche Menschen mobilisieren, der Braune Mob aus der Mitte der Gesellschaft würde sich in Luft auflösen. Es gibt keinen Grund zu resignieren, wenn man Worten Taten folgen lässt.

    • Mikael in den Fahrt says:

      Lieber Roland,

      ich weiß. Es gibt unglaublich viele Menschen, die etwas tun. Ob nun als politische Aktivisten, als Menschen, die einfach nur Zimmer zur Verfügung stellen, die Deutschkurse anbieten, Jobs vermitteln, Kleidung spenden, Geflüchteten über Grenzen helfen oder beim Amt. Die vielen, die sich von Menschlichkeit leiten lassen. Sie alle geben einem in dieser ekelhaften Situation Hoffnung auf ein anderes Land, eine andere Welt, ein gutes Leben für alle. Es ist nur manchmal so schwer, bei all der Scheisse, positiv zu bleiben.

      Aber natürlich hast Du Recht. Sonst haben die anderen ja schon gewonnen.

  7. Bernd says:

    Dein Post spricht mir mit samt der Wut und Resignation aus dem Herzen!

  8. Shinzon says:

    Nicht mehr lange und der braune Pöbel bricht einen Bürgerkrieg wie in der Ukraine los. Es ist wohl kaum ein Zufall, dass Der III. Weg auf seinem Märschen stets Flaggen in der Farbe der Ukraine dabei hat. Der III. Weg war es auch, der die Karte mit Flüchtlingsheimen ins Netz stellte, die nun reihenweise brennen. Die sind noch gefährlicher als die NPD, wobei es zwischen den beiden durchaus Verbindungen gibt.

  9. Zeev Czernowitzer says:

    Mit Verlaub, Shinzon, aber das ist ein Kommentar, bei dem sich die Fußnägel hochrollen.

    Ich darf darauf hinweisen, dass die „besorgten Bürger“ in Freital und Heidenau unter anderem mit „Noworossija“- und Russland-Fahnen umherstolzierten, Bilder im Netz gibt es genug. Und dass sich der wirklich dunkelbraune Rand der Pegida-Bewegung und der rechte Rand der Querfront-„Mahnwachen“ zum einen diese gesamte Hetze gegen Flüchtlinge mit initiiert haben und zum anderen ständig die putinistische Propaganda nachplapperten, die auch in deinem Post zum Ausdruck kommt. Informiere dich übrigens mal, welche EU-Parlamentarier aus welchen Parteien damals beim Krimreferendum dabei waren, mit welchen europäischen Parteien „Einiges Russland“ freundschaftlichen Kontakt hält und welche Meinung hinsichtlich Multikulturalismus und Rassismus viele führenden Köpfe der „DVR“ und „LVR“ vertreten.

    Aber klar, die Nazis sitzen ausschließlich und allein in der Ukraine und blau-gelb ist das neue blutrot, schwarz und weiß, wa. Hört endlich mit diesen beschissenen Zerrbildern auf, die auf ein paar Idioten beim RS und bei den Arschlöchern vom Bataillon Asow fußen.

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