Reih dich ein in die Urhebereinheitsfront

Foto: CC-BY Elena Gatti Photography

Das muss ja eine richtig schöne Veranstaltung gewesen sein, diese Konferenz „Die Zukunft des Urheberrechts“. Schon die Referentenliste gab die Marschrichtung vor: Contentmafia-Pate Dieter Gorny und Günther „Industrie“ Oettinger gaben sich ein Stelldichein mit dem IT-Spezialexperten Ansgar Heveling und dem notorischen Urheberrechtsradikalinski Klaus Staeck. Angereichert mit weinenden Autoren und Kunstschaffenden, die ihr immergleiches trauriges Liedchen vom alten Geschäftsmodell sangen, das nicht mehr funktioniere.

Und als sei das Internet in diesem Jahr mit Vorratsdatenspeicherung und der Abschaffung der Netzneutralität nicht genug kaputtgeschlagen worden, kristallisierten sich auf der Konferenz zwei wunderschöne Hauptforderungen heraus: Provider sollen für die Inhalte haften und die Anonymität im Netz soll zerschlagen werden.

Klaus Staeck, SPD-Plakatkünstler und Karikaturist, nannte das Urheberrecht ein Freiheitsrecht, das erkämpft worden sei. Das Urheberrecht („Geistiges Eigentum“) als Freiheitsrecht ist mindestens umstritten. Aber Freiheitsrecht klingt halt besser, wenn man andere Freiheitsrechte kaputtmachen will.

Günther Oettinger postulierte auf der Konferenz, dass der Zeitgeist zur Piraterie tendiere. Das Pendel müsse nun deutlich umschlagen. Bei Oettinger selbst tendiert der Zeitgeist ja bekanntermaßen mehr zur Wegelagerei, wenn man sich anschaut, was seit dem Umschlagen des Pendels in Sachen Netzneutralität so passiert. Weiterhin sagte Oettinger: „Wer digitale Inhalte transportiert, verantwortet sie auch.“ Auch das ein Frontalangriff gegen das Providerprivileg, dass die Haftung richtigerweise zum Nutzer schiebt.

Der Göttinger Medienrechtler Spindler rief dazu auf, die Anonymität im Netz zu schlachten. Matthias Lausen vom Institut für Urheber- und Medienrecht versuchte die Anonymität im Netz mit dem Vermummungsverbot in einen Topf zu werfen. Dumm nur, dass sich das Vermummungsverbot auf Demonstrationen und Versammlungen bezieht und nicht darauf, was die Menschen privat so treiben. Es ist natürlich nicht verboten, vermummt zum nächsten Briefkasten zu gehen und eine Postkarte einzuwerfen. Aber das wäre ja zu komplex für die Verschärfer.

Überhaupt die vielbeschworene Anonymität im Netz: War da nicht was? Hundertausendfach und problemlos wurden die Identitäten von Internetnutzern bei Gerichten und Telekommunikationsdienstleistern herausgekratzt, um diese mit einer der Abmahnindustrie zu überfluten. Aufgrund des unglaublichen Datenschattens, den wir im Netz hinterlassen, dürfte es sich bei denen, die wirklich anonym im Netz unterwegs sind, sowieso nur um einen Promilleanteil handeln. Ob das jetzt gerade die sind, die den armen Künstlern und Verlagen die letzte Butter vom Brot saugen, bleibt pure Spekulation. Aber Spekulation passte ja zu dieser Konferenz.

Zu allem Überfluss fühlte sich die grüne Renate Künast bemüßigt, ganz im Klischee der Verbotspartei, ein Ende der Anonymität im Netz zu fordern. Bei ihr ist die Argumentation, dass sich „alle den ganzen Tag wüst beschimpfen“ und so die Kommunikation zwischen Menschen zerstört werde. Auch hier mal der Reality-Check für die ehemalige Verbraucherschutzministerin: Ist es gerade nicht so, dass zehntausendfach die rassistischen Besorgtbürger ihrem Hass unter Klarnamen bei Facebook freien Lauf lassen? Zeigt dass alles nicht gerade, dass ein Ende der Anonymität eben nicht zu einer besseren Diskussionskultur führt? Aber Fakten waren bei dieser Konferenz anscheinend nicht so wichtig.

Diese Konferenz zeigte vor allem eines: Die Urheberrechts- und Verwerterlobby fühlt sich gerade stark und hat seit Jahren nicht mehr so laut am Rad der Repressionsforderungen gedreht. Ein Blick auf die prominente Gästeliste zeigt, dass sie Rückhalt in der Regierungskoalition genießt. Mit Forderungen nach dem Ende der Anonymität rennen sie zudem bei Sicherheitspolitikern im Terrormodus offene Türen ein. Keine guten Aussichten für Grundrechte und Internetfreiheit.

Der einzige Lacher bei dieser Konferenz war vermutlich dieser Autor, der sich bei einem Spambot beschwerte: Bildschirmfoto 2015-12-02 um 22.49.55 

6 Kommentare

  1. Peter says:

    Das mit den Spambots war zwar groß. Darüber hätten auf der Konferenz mangels Technikkompetenz aber nur wenige lachen können.

  2. Die Bot-Anekdote ist ja zumindest ein Grund auch mal zu lächeln. ;-)

    Dass die Veranstaltung so wird, war schon vorher abzusehen. Als ich die Einladung dahin mit den Worten ablehnte, dass „dies die schlimmstmögliche TeilnehmerInnenliste zum Thema Urheberrecht ist, die ich mir hätte vorstellen können“ und das „ich mir also diesen Verlust meiner Lebenszeit erspare“, warf mir Kristian Müller von der einladenden PR-Agentur SteinbrennerMüller Kommunikation noch eine „verengte Sicht“ vor.

    Zu der wirklich schlimmen Forderung von Renate Künast, Anonymität im Netz aufgrund von Hate Speech zu unterbinden, müsste noch angemerkt werden, dass sie auf der Veranstaltung das als ihre persönliche Meinung darstellte und transparent auf die beschlossenen Parteipositionen hinwies, die sich für den Schutz der Anonymität einsetzen und dies als Recht verstehen. Auf heise.de war dies so auch vermerkt.

  3. Thomas Elbel says:

    Hallo lieber Mikael,

    ich lächle ja hier und da gerne über mich selbst, aber hier erkenne ich die Pointe nicht ganz. Spambots in Twitter beruhen auf Accounts, die wiederum von echten Menschen kreiert wurden . Twittere ich den Bot an, dann erreicht die Notifizierungsmail den menschlichen Accountinhaber und nicht irgendein virtuelles Nichts (jedenfalls laut Auskunft der dortigen Entwickler).
    Man kann natürlich über den Sinn streiten, überhaupt so einen Hirni anzuschreiben, den das wahrscheinlich einen feuchten Spam kümmert, aber ich denke viele von uns haben schon mal irgendeinem Verkehrsrowdy auf der Straße hinterhergeflucht, in dem klaren Wissen, wie sinnlos das ist, was wir da gerade tun.

    Oder?

    Beste Grüße, dieser Autor

  4. nk says:

    > Spambots in Twitter beruhen auf Accounts, die wiederum von echten Menschen kreiert wurden .

    Ziemlich sicher nicht. Ziemlich sicher wird dagen sowohl der Twitter- als auch der hinterlegte E-Mail-Account ebenfalls durch Bot-Läufe eingerichtet. Und selbst wenn – es gibt auch Twitter kein Anrecht auf Hash-Tags. Sollte man eigentlich begriffen haben, wenn man 4800 Tweets abgesetzt hat.

  5. gemein gut says:

    Mikael, etwas weniger Häme ggü. den Leuten, die ihre Werke angemessen schützen und monetarisieren wollen, wäre angebracht. Dein Text steht hier unter einer CC-Lizenz, die auch nicht alles erlaubt.

    Was die Forderung einiger Teilnehmer nach Aufhebung der Anonymität angeht … peinlich!

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