Der LKW als Waffe

Blick auf die Uferpromenade von Nizza am 14. Juli 2014. Foto: CC-BY-NC-ND 2.0 Michael Foley Photography

Flugzeuge entführen, hochrangige Politiker erschießen, spektakuläre Gebäude sprengen, mit Waffen und Sprengstoff hantieren, Botschaften attackieren, Flughäfen wegbomben, Geiseln nehmen, Prominente entführen, die OPEC attackieren – das alles sind Bilder aus einer längst vergangenen Terroristen-Welt.

Seit Jahren sind Terroristen bei den Soft Targets, den weichen Zielen, angekommen. Bei der wahllosen Tötung irgendwelcher zufällig Dagewesenen. Bei Anschlagszielen, die nicht bewacht werden können, weil es einfach zu viele Ziele gibt.

Mit Nizza hat jetzt die Zeit der Soft Weapons begonnen.

Attentate auf Politiker können durch besseren Personenschutz verhindert werden. Flugzeugentführungen durch mehr Flughafensicherheit. Wichtige Gebäude und Botschaften können durch Polizei oder physische Sperren geschützt werden. Anschläge durch Sprengstoff werden mittels der Kontrolle benötigter Chemikalien minimiert. Attentate mit Waffen durch schärfere Waffengesetze.

Doch keine Regierung der Welt wird verhindern können, dass Menschen Lastwagen fahren. Keine Regierung der Welt wird in die Köpfe von alleine oder im kleinen Verbund agierenden Terroristen schauen können, ohne sich mit der dafür nötigen totalen Überwachung gänzlich von der Demokratie zu verabschieden. Kein Land der Welt wird Menschenansammlungen schützen können ohne in einen permanenten Ausnahmezustand mit dauerhafter Polizei- und Militärpräsenz zu verfallen. Und selbst dann wird dieser totale Polizeistaat Anschläge gegen Soft Targets mit Soft Weapons niemals verhindern können.

Der grausame Anschlag von Nizza ist ein Wendepunkt. Er zeigt das Ende der Möglichkeiten von Überwachung und Massenüberwachung an. Natürlich werden die Sicherheitspolitiker noch engmaschigere Überwachung, noch mehr Datenaustausch, noch weniger Privatsphäre, noch mehr Polizei und Militär und einen weiteren Abbau von Grund- und Freiheitsrechten fordern. Es wird gegen diese Art von Terror nicht helfen. Es wird nur unsere durch Anti-Terror-Pakete angeschlagene Demokratien noch weiter aushöhlen und autoritärer machen.

Wir müssen – so bitter und traurig es ist – akzeptieren, dass Terror passieren kann. Das er wieder passieren wird. Dass er nur bis zu einer gewissen Grenze minimiert werden kann. Diese Einsicht ist kein Nachgeben gegenüber Terroristen, sondern dient im Gegenteil dem Schutz unserer freiheitlichen Gesellschaften.

Update:
Yassin Musharbash hat bei Zeit.de unter dem Titel „Terrorwaffe LKW“ dem Aufkommen dieser Idee nachgeforscht:

Die erste entsprechende Aufforderung findet sich nach meinen Recherchen in der zweiten Ausgabe des Terror-Magazins Inspire, das Al-Kaida herausgibt. Schon 2010 hieß es dort: „Die Idee ist, einen Pick-up-Truck als Mähmaschine zu verwenden, aber nicht um Rasen zu mähen, sondern die Feinde Gottes.“ Diese Idee lasse sich gut in Ländern wie Israel, den USA, Großbritannien, Kanada, Frankreich, Deutschland oder den Niederlanden umsetzen. Mit einem möglichst großen Fahrzeug in eine Fußgängerzone zu rasen, wäre „fabelhaft“, schrieben die Kaida-Kader.

9 Kommentare

  1. catan says:

    ich les und hör immer was von terrorismus oder islamisten … aber dann heisst es er war einzeltäter, gewalttätig, aber eben kein bekannter oder bekennender islamist. ist nun jeder amoklauf terrorismus oder islamistisch, nur weil einer tunesier ist? mich erinnert das eher an einen amoklauf, wo ein von der gesellschaft zurückgelassener sich an der gesellschaft abarbeitet. wahrscheinlich ist es kein zuckerlecken als araber in europa zu leben und man wird überall ausgegrenzt und isoliert, im namen des volkes und sowas kommt von sowas. integration in europa ist assimilation, und das kann doch alles gar nicht funtionieren.

  2. Sascha says:

    Das alles ist schlicht der Preis für Globalisierung (im Sinne von „was wir tun ist richtig und alle anderen müssen mitmachen“) und die immer weiter aufgehende Schere zwischen Armut und Wohlstand (oder besser Dekadenz). Neid, Hilflosigkeit und Unterdrückung sind der Nährboden für das, was wir täglich in den Medien zu sehen bekommen oder im schlimmsten Fall sogar am eigenen Leib zu spüren bekommen. Solange wir nichts ernsthaftes gegen diesen Nährboden unternehmen, wird die Welt sicherlich keine bessere.

  3. Achim says:

    Schlecht recherchiert. Schon mal an Tunesien gedacht, 2012?

  4. thomas says:

    „Doch keine Regierung der Welt wird verhindern können, dass Menschen Lastwagen fahren.“
    und ich denk nur so: doch, das werden sie. „Teilautonomes Fahren“ mit einem Uplink zum Hersteller wird diesen Weg pflastern.
    Das Ende des Ausnahmezustands ist noch lange nicht erreicht.

  5. Jay says:

    Warum sollten diese maßnahmen *gegen* den Terrorismus sein, ich bin mir ziemlich sicher so war das nie gedacht.
    Zuerst schaden ‚Terroristen‘ der Zivilbevölkerung in dem sie Anschläge verüben.
    Dann schadet die Regierung der Zivilbevölkerung in dem sie Überwachungsmaßnahmen verschärfen.

    Terroristen und die Regierungen arbeiten Hand in Hand indem die einen Öl ins Feuer giessen und die anderen dankbar falsche Sicherheit durch die Bestrafung der Zivilbevölkerung herbeiführen will was nur den Terroristen hilft.
    Die Natur dieses Kreislaufs machts manchmal auch shcwer zu glauben das es sich nicht um false flag operationen handelt.

  6. Kfz und besonders LKW sind schon immer Waffen gewesen. Das lasche Verkehrsrecht ist, ähnlich dem Waffenrecht in den USA, für Tausende von Toten jedes Jahr verantwortlich.

    Der Ausnahmezustand besteht bisher darin, dass jeder, zuverlässig oder nicht, sich so ein Tötungswerkzeug zulegen darf. Selbst als notorischer Raser und damit als charakterlich völlig Ungeeigneter. Es ist zum Beispiel völlig unverständlich, dass ein mehrfach vorbestrafter Kleinkrimineller legal an einen Lkw kommt.

    • Mikael says:

      Ich halte es für falsch, Verkehrsunfälle und Anschläge mit Fahrzeug in einen Topf zu werfen. Dem normalen Verkehrsunfall fehlt einfach das politische Moment.

  7. Hagenbuch says:

    Bullshit. Was hier als paradigmatischer Wechsel bezeichnet wird, ist nichts anderes, als „zivile“ (hilft uns diese Unterscheidung überhaupt?) Gegenstände für Gewalttaten zu nutzen. Lee Rigby, anyone? Teppichmesser in Passagierflugzeugen? Dünger aus dem Hornbach Frankfurt-Niedereschbach? Wer Nizza als etwas neues sieht, hat die letzten paar Jahre gepennt. Und der ist eigentlich darum zu beneiden. Nur ums Erwachen nicht.

  8. Martin Däniken says:

    Das politische Moment heisst „Freie Fahrt Für Freie Bürger“…also es wird interessant mit der Abnahme von Verantwortung im Selbstfahrer-Bereich.EMP-Vorrichtungen um Fahrzeuge zustoppen,Eingriffe in die Programmierung durch „Sicherheitsbehörden“
    Leute,die im Stau stehen wg Unfällen/Amok/Terror verursachen Kosten,
    weil nicht pünktlich auffe Arbeit,verdorbene Waren,angegriffene Nervenkostüme-Psychopharmaka/Alkohol/Therapien
    Leute ,die ihrerseits Unfälle/Gewaltätigkeiten verursachen(können) usw

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