American Pie 2

Konservative Werte in hipper Teenie-Klamotte oder eine Vision von Pubertät im 21. Jahrhundert

Will Hollywood die Jugend erziehen oder spiegelt dieser Film die eigenen Moralvorstellungen bloß wieder? Ganz arglos und ohne Hintergedanken schaut man sich normalerweise Filme dieses Genres an, um 90 Minuten abzuschalten und sich zu amüsieren. Mehr als seichte Unterhaltung wurde von den Filmemachern auch gar nicht versprochen. Aber gibt es den Film ohne Aussage oder erreicht diese einen auf subtilen Wegen, wenn man nicht nach ihr sucht? Bei genauerem Hinsehen entdeckt man in diesem Film nämlich unter der Oberfläche von dicken Brüsten, coolen Surfklamotten und platten Sprüchen die prüden konservativen Werte des weißen amerikanischen Kleinbürgertums.

In "American Pie 2" versammeln sich die Helden aus dem ersten Teil nach ihrem ersten College Jahr wieder in ihrer kleinen Heimatstadt, um die Sommersemesterferien zu verbringen. Auch erste Studienerfahrungen fern von zu Hause haben ihre Lebensperspektive nicht erweitert. Wie im ersten Part dreht sich bei den Junges wieder alles nur um eines: Sex. Ihre Hoffnungen wollen sie sich in einem Ferienhaus am See erfüllen. Nicht nur wird ohne Murren akzeptiert, dass man für das Traumhaus jobben muss, sondern die Jungens werden mit frohen Gesichtern bei ernsthaften Arbeiten gezeigt. Keine Spur von Frust bei schönsten Sonnenschein malochen zu müssen und auch keine Auswirkungen von den wilden Partys der Nacht zuvor sind zu erkennen.

Nicht nur was Arbeit angeht, sondern auch beim zentralen Thema Sex werden kleinbürgerliche Wert- und Moralvorstellungen hinter der wilden Party-Fassade in der Story transportiert. Abgesehen von der ersten Szene, wo Jim von seinem Vater in Flagranti erwischt wird, kommt keiner noch mal zum Zuge. Nein selbst eine Fernbeziehung hält ohne Belastungsprobe und Jim entscheidet sich am Ende statt für Sex mit der Traumfrau für die "wahre Liebe" mit dem "hässlichen Entlein". Da die frustrierten Jugendlichen nicht mal ihre Triebe ausleben dürfen, bleibt den zukunftslosen Mittelklassesprösslingen nur noch die Hoffnung auf Liebe. Dem entpolitisierten Heranwachsenden wird Interesse für andere Dinge gar nicht erst unterstellt.

Und das ist noch nicht zu dick aufgetragen. Jim darf sogar den illusionären amerikanischen Traum verkörpern, dass man nur an sich selbst zu glauben habe, um zum Erfolg zu kommen. Mit dieser Einstellung kann man ohne vorherige Übung vor großem Publikum mit der Posaune bestehen und wird sogar bejubelt. Von der in diesem Alter typischen Rebellion gegen Eltern oder Gesellschaft ist in diesem Film endgültig entsorgt. Nur maßlose Übertreibung bringt noch eine Spur Witz in die einfältige Geschichte, aber die Grenzen kleinbürgerlicher Spießermoral bleiben unangetastet. Der Vater steht selbst in den verwegensten Situationen verständnisvoll hinter seinem Sohn, was dieser dankend annimmt. Trotz Glorifizierung des Partysaufens, wie es eine Bierwerbung nicht besser könnte, gibt sich keine der Hauptpersonen irgendwelchen Alkoholexzessen hin. Man bleibt auch ethisch strikt unter sich. Ein Asiat darf den besoffenen Party-Idioten geben und der einzige Schwarze hat sogar nur einen Auftritt von wenigen Sekunden, in denen er stereotyp mit breiten Kiffergrinsen einen coolen Gangsterhandschlag zelebrieren darf. Homosexualität wird auch nur in der Auswalzung spießiger Klischees thematisiert und der Protagonist läuft Scham erfüllt davon, als er in gleichgeschlechtliche Liebesspiele verwickelt wird.

Musikalisch wird der Film von Poppunk à la Blink 182 aufgepeppt, dessen Anleihen beim schnellen amerikanischen Surfpunk der 90er zwar noch hörbar sind, der aber seiner rebellischen Elemente in Text und Stil endgültig beraubt ist. Die Marketingmaschine hat endgültig gesiegt. Der coole Jugendliche von heute hat zwar noch sexuelle Triebe, die sich von Werbung hervorragend ausbeuten lassen, aber ansonsten präsentiert er sich bereits als perfekt in die Gesellschaft eingegossenes Individuum ohne geringste Anpassungsprobleme. Herausgekommen ist ein spießig braver Film mit entsprechendem Ende. Der Protagonist küsst vor großem Publikum (der Gesellschaft) seine große Liebe und dieses reagiert mit tosenden Beifall. Wie reagieren die verrückten Teenies? Sie verneigen sich. Endlich angekommen im Spießbürgertum, das man doch nie verlassen hatte.

Stefan Heumann


American Pie 2

Darsteller: Jason Biggs, Shannon Elisabeth, Mena Suvari u.a.
Regie: James B. Rogers
FSK: Freigegeben ab 12 Jahren
Erscheinungstermin: 21. März 2002

Die DVD:
Neben Hauptfilm und Kapitelauswahl bietet das zum Teil animierte Hauptmenü im Bereich Sprache die Wahl zwischen Deutsch oder Englisch in Dolby Digital und Deutsch DTS. Es können Audiokommentare von Regisseur und Hauptdarstellern (Biggs, Suvari, Nicholas, Thomas) eingeblendet werden, wahlweise untertitelt oder nicht. Die Untertitel der filmischen Dialoge sind in Deutsch, Englisch und Türkisch zu haben. An Extras bietet "American Pie 2" ein Making of, das hier passenderweise "Baking of American Pie 2" heißt, eine Sammlung von Szenen, die dem Cutter zum Opfer gefallen sind und die allseits beliebten "Outtakes" - Szenen, die daneben gingen also. Dazu gesellen sich noch ein "Hinter den Kulissen", die Filmdokumentationen "Original-Vorsprech-Szenen", "Dein Lieblingsstück vom Apfelkuchen!" sowie das wenig spannende Musikvideo "Be like that" der Band "3 Doors Down". Des weiteren finden sich auf dem Silberling noch "Die besten Zitate", Trailer, Produktionsnotizen und Filmografien.
Es gibt neben dem Hauptfilm also noch einiges zu entdecken. Insgesamt eine DVD der gehobenen Klasse.


DVD-Facts:

• Sprache: Deutsch, Englisch
• Untertitel: Deutsch, Englisch, Türkisch
• Dolby, Surround Sound, DTS Surround Sound
• Bildformat: Widescreen, 1.85:1
• Untertitel: Englisch, Deutsch, Türkisch
• Kommentare: Regisseur, Autor, Besetzung, Filmdokumentation "The Baking of American Pie 2", Entfallene Szenen, Hinter den Kulissen, Filmdokumentation: Original-Vorsprech-Szenen, Musik-Video, Filmdokumentation "Dein Lieblingsstück vom Apfelkuchen!", Musik Highlight
• Die besten Zitate, Trailer, Produktionsnotizen, DVD-Rom, Filmografien: Schauspieler, Regisseur, Produzenten, Autor
• Menüs und Zusatzinformationen nur in englischer Sprache