Mikrokosmos Supermarkt – Hysterikon im Maxim Gorki Studio

Oh schöne bunte Konsumwelt, wie machst du uns stark und schwach zugleich, wie fabelhaft zeigst du uns, was für kleine arme Kreaturen wir sind. Produktpaletten rauf und runter stellst du uns vor wahrhaft existenzialistische Probleme und manipulierst unser Autonomiebewusstsein auf einzigartige Weise.
Die Wahl fällt keinem leicht, was braucht man eigentlich, was will man eigentlich – wer ist man eigentlich? Nein? – passen diese Fragen nicht hierher. Doch, meint die durchtriebene Dramatikerin Ingrid Lausund und nimmt uns alle aufs Korn indem sie ein vergnügliches kleines Stück Theater über unsere Konsumgewohnheiten und den Mikrokosmos Supermarkt zusammenbastelt. Allesamt verrückt möchte man meinen, wenn der Supermarktleiter (Frank Streffing) zeitgleich zum Seelsorger und Teufel mutiert und als nimmersatter Conferencier das Leben und die Leute durch seine eigene private Show manövriert. Die Einkäufer werden zu simplen Haben- und Soll-Statisten degradiert, das Leben liest sich auf einer jeden Nasenspitze ab und die Life-Card, die Kreditkarte des eigenen Lebens, verkürzt sich bei vergeudeten Chancen schmerzlich. Das erfüllte Sexleben, die moralische Verfassung, Ehrgefühl und Lebensqualität – all das wird im Austausch mit anderweitigen materiellen und immateriellen Gütern getauscht oder verkauft. Der Supermarkt als Dreh- und Angelpunkt zu sich selbst oder zu einem anderen Selbst.

Schön anzusehen ist das allemal. Auf Plexiglasregalen dekorativ nebeneinander aufgereiht die Artikel, deren richtige Wahl uns vor immer schlimmere Entscheidungsängste zu stellen scheint. Die Joghurtwahl gerät zum völligen Fiasko der einen, die Vorstellung der eng eingeschlossenen geschälten Tomaten zum Traumata des anderen. Auf die Spitze getrieben wird die Qual der Wahl schließlich durch die Tiefkühlprinzessin, die viel lieber befreit aus ihrem Eispalast oralbefriedigend Gutes tun möchte. Die ersten Fäulnisflecken lassen sie aber bloß zur Billig-Angebotsware werden.

In hübsch aneinander gereihten Szenen, werden dem Zuschauer zwar Gags und Klischees gefährlich grenznah um die Ohren gehauen, glücklicherweise gerät das Spiel aber nie aus seinen Fugen und vermag zwischenzeitlich auch sehr melancholisch Töne anzuschlagen. Das lebhafte Treiben auf der Bühne schreitet mit gleich bleibend hohem Tempo voran (Regie: Sandrine Hutinet), getragen von einem hervorragendem Ensemble aus Schauspielschülern der UdK. Am Ende des Konsumwahnsinns bleibt es ein unterhaltsames Theater zwischen Klamauk, Genie und Wahnsinn.

Fabienne Fontaine
Hysterikon
20 Uhr
Maxim Gorki Studiobühne
Am Festungsgraben 2 (Mitte)

Weitere Vorstellungen:
8.4, 9.4., 18.4., 21.4., 30.4., 1.5.
Kartenreservierung: 20 22 11 15

www.gorki.de






alle Fotos © Sabine Wenzel