Früher war alles bunter: Die Nachbesprechung zur Demo Freiheit statt Angst

Ich schließe mich mal dem Nachbetrachtungskorso an – und sage gleich vorweg: Ich sehe die Demo mit gemischten Gefühlen.

Zahlenmäßig war die Demonstration kein Misserfolg. Um die 20.000 Leute, das ist schon sehr OK. Gerade solche Traditionsdemos, die jedes Jahr stattfinden, bergen ja immer die Gefahr in der Mobilisierung irgendwann zu verhungern.

Medienmäßig wurde die Demo super beachtet, alle wichtigen Medien berichteten. Hier ist der Pressespiegel.

Prügelmäßig hat die Berliner Polizei mal wieder ordentlich zugelangt und einen friedlichen Radfahrer und eine weitere Person zusammengeschlagen. Das passiert zwar auf linken Demos ständig, wie hier bei der Tempelhof-Besetzung, wird jedoch immer nach dem Muster „Böse Randalierer greifen Polizei an, Polizei reagiert angemessen“ behandelt. Dass diesmal die Polizei-Schläger medial sogar von Bild.de einen drauf bekommen, ist leider eher die Ausnahme.

Kreativmäßig hat mich die Demo ein wenig enttäuscht. Das lag an der starken Wahlkampfpräsenz von vier Parteien, die alle möglichst viele ihrer Luftballons, Fahnen und Plakate sichtbar über die ganze Demo verteilen wollten. Besonders erschreckend empfand ich dabei das Auftreten der Piratenpartei. Die haben sich ja extrem schnell der totlangweiligen Corporate-Identity-Kultur der etablierten Parteien angepasst. Eine gute und starke Demo zeichnet sich für mich durch vielfältige, kreative, ernste, lustige und selbstgemachte Schilder und Transparente aus. Da war die Demo in den letzten beiden Jahren besser aufgestellt als noch nicht jeder Pirat ein Parteishirt und eine Fahne hatte. Den Piraten sei hier gesagt: so kommen keine inhaltlichen Aussagen rüber und die ganze Sache sieht mir zu sehr nach Uniform aus. Total unsexy und wenig progressiv.

Bündnismäßig finde ich es großartig, dass 167 Organisationen aufgerufen haben. Von Gewerkschaften über Flüchtlingsverbände bis hin zum antikapitalistischen Block. Diese Breite der Bewegung hätte sich auf der Demo besser manifestieren können, wenn die teilnehmenden Parteien – und hier leider auch wieder die Piraten ganz vorne mit dabei – nicht versucht hätten, das Bild so zu dominieren. Das ist schade für den Rest der Bewegung, die sich von solchen Aktionen zurückgesetzt fühlen. Das sehen auch andere Teilnehmer so.

Überwachungsmäßig hat die Polizei entgegen der vorherigen Absprachen wieder viel gefilmt. Aber auch die Teilnehmer_innen wahrscheinlich sind ja fix dabei mit Videos und Bildern. Dass man später Fotos von sich selbst in Großaufnahme und ungefragt im Netz findet, ist schade. Es widerspricht der Idee der informationellen Selbstbestimmung. Dass eine hochauflösende Kamera auch nützlich sein kann, zeigt die gute Dokumentation der Polizeigewalt.

Zukunftsmäßig muss jetzt gesehen werden, ob ein jährlicher Termin die Grundrechte-Bewegung wirklich nach vorne bringt. Es sind ja durchaus auch dezentrale Aktionsformen denkbar, die auch eine bundesweite Aufmerksamkeit erzeugen können.

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Dies ist der 1000. Artikel seit es Metronaut.de in Form eines Blogs gibt.

Ein Kommentar

  1. diltigug says:

    gute Zusammenfassung, passt zu dem Eindruck den ich vom verfolgen über livestream und twitter hatte.

    P.S. Glückwunsch zum 1000. Artikel

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