In den letzten Tagen gab es ja Meldungen rund um die Mission der Sea-Watch und den Umgang mit Reportern. Nachdem der RBB-Reporter Michael Hölzen die Berichterstattung – je nach Darstellung – einvernehmlich beendete bzw. ausgeschlossen wurde, stand die Frage im Raum, dass es an seiner angeblich zu kritischen Berichterstattung lag. Wir haben Harald Höppner, den Gründer des Sea-Watch-Projektes, befragt, was denn passiert sei. Die Antworten kamen gerade per Satellit rein, denn die Sea-Watch ist mittlerweile auf hoher See vor Lampedusa.
In Presseberichten heißt es, Sie hätten den RBB-Reporter Michael Hölzen von der Sea-Watch ausgeschlossen, weil er zu kritisch berichtet habe. Was genau ist denn aus ihrer Sicht passiert? Was ist schief gelaufen an der Zusammenarbeit?
Das ist eine verfälschte Darstellung durch den RBB. Wir sind offen für kritische Berichterstattung, das ist ein Grundsatz unseres Projektes. Nach wie vor ist eine Journalistin vom Stern dabei, die – wie es auch für Michael Hölzen galt – Einblick in alle Geschehnisse auf dem Schiff hat und darüber frei berichten darf, Anfang Juli kommt dann der WDR an Bord.
Abgesehen davon hat Michaelel Hölzen bis auf einen Teilbeitrag, in dem er unter anderem das konstruktionsbedingte Rollverhalten unseres Schiffes anspricht – was sein gutes Recht ist – auch überwiegend positiv über das Projekt berichtet. Es wäre albern daraus solche Konsequenzen zu ziehen.
Es kam allerdings immer wieder zu kleineren journalistischen Ungenauigkeiten oder zu Situationen, in denen Crewmitglieder sich plötzlich im Radio wiederfanden, ohne dass sie sich darüber bewusst waren, dass sie aufgezeichnet wurden. Da entstand dann eben die Frage, ob bei der Frequenz der Schalten, wie sie für den Einsatz geplant war, bei gleichzeitiger Belastung durch den Einsatz selbst – Michael Hölzen war auf dem Schiff nämlich eigentlich vor allem als Skipper eingeplant – eine genaue Recherche und eine reflektierte Einordnung der Geschehnisse in dem vorgegebenen Zeitrahmen überhaupt möglich sind.
Das Projekt Sea-Watch pflegt im Vergleich zu ähnlichen humanitären Projekten, ja einen extrem offenen Umgang mit Journalisten. Auf einem kleinen Schiff, wie der Sea-Watch, auf der es kaum Privatsphäre und Rückzugsmöglichkeiten für die Crew gibt, ist hier aber besondere journalistische Sorgfalt nötig, gerade in potentiellen Extremsituationen.
Wie es auch aus zwei Live Interviews auf Radio eins mit unserem Schiffsarzt Lothar Müller, sowie Michael Hölzen hervorgeht, fand die Trennung von Michaelel Hölzen mehr oder weniger im beidseitigen Einvernehmen statt, weil uns, genauso wie Michaelel Hölzen klar wurde, dass der große Druck einer permanenten Liveberichterstattung, negativen Einfluss auf den Einsatz haben könnte. Wir haben uns dann darauf geeinigt, dieses Experiment zu beenden.
Wir haben großen Respekt vor der Entscheidung, die letztendlich auch Michael Hölzen selbst mit getroffen hat und können nicht nachvollziehen, warum der RBB hier derart die Tatsachen verdreht und so einen Skandal daraus macht.
Die mediale Aufmerksamkeit war von Beginn an Teil des Projektes. Ist der Druck einfach zu hoch, wenn man permanent bei jedem Handgriff und bei jeder Besprechung unter Beobachtung steht?
Wir lassen uns gerne beobachten! Es muss allerdings auch völlig klar sein, dass es bestimmte Situationen gibt, über die nicht direkt berichtet werden kann, zum Beispiel solche, die von der ärztlichen Schweigepflicht betroffen sind. Es gibt einen guten Grund dafür, dass es zum Beispiel keine Webcams in Notarztwägen gibt.
Auch hier gab es Differenzen mit Herrn Hölzen. Abgesehen davon muss es trotz aller kritischen Berichterstattung auch die Möglichkeit geben mal ein vertrauliches Gespräch mit der gesamten Crew zu führen, gerade in einem Einsatz in dem es zu extrem Situationen kommen kann. Das ist völlig selbstverständlich in humanitären Hilfsprojekten wie diesem, da wird der RBB auf der ganzen Welt kaum ein Projekt finden, das offener mit Journalisten umgeht, als die Sea-watch.
Dennoch haben wir aus der Situation die Konsequenz gezogen, dass wir so eine direkte Live-Berichterstattung nicht mehr machen werden. Es geht schliesslich nicht um uns, sondern um die Situation auf dem Mittelmeer, da hilft es wenig, wenn wir einen schwimmenden Big-Brother Container inszenieren.
Die Idee der Sea Watch ist ja, Öffentlichkeit zu schaffen. Wie wollen Sie in Zukunft mit Journalisten umgehen?
Es ändert sich nichts daran, dass wir Journalisten, gerne auch mit kritischem Blickwinkel, auf unserem Schiff mitnehmen werden. Wir wünschen uns ja eine Debatte über die Situation auf dem Mittelmeer. Heute hat uns zum Beispiel einer von der FAZ an Bord besucht und eine Journalistin vom Stern wird beim ersten Einsatz vor der libyschen Küste dabei sein, danach kommt der WDR an Bord.
Welche technischen Probleme hat die Sea-Watch momentan und wie sind diese lösbar?
Die Seawatch rollt in bestimmten Situationen konstruktionsbedingt relativ stark. Das war für die frühere Verwendung beim Bau des Rumpfes gewünscht und lässt sich nicht beheben. Das ist allerdings auch überhaupt nicht sicherheitsrelevant, man wird halt ein bisschen durchgeschaukelt. Ansonsten ist es bei einem Prototypen wie der Sea-Watch völlig normal, dass sich in Erprobungsphase noch Änderungsbedarf ergibt. Wir nehmen uns dafür die Zeit und fahren lieber ein paar Tage später los. Wir fahren nur los, wenn wir uns wirklich sicher fühlen! Mittlerweile ist aber so langsam alles auslauffertig.
Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg für den weiteren Verlauf.