Zwei Gründe warum sich der Protest gegen den Überwachungsstaat (noch) so schwer tut

Foto: CC-BY-NC-ND Aegis

John F. Nebel hat gestern geschrieben „eigentlich müssten die Piraten schon bei 12 Prozent und die Straßen voll mit wütenden Demonstranten sein, die aufs Innenministerium marschieren und die Demokratie retten wollen.“ Dem ist bekanntlich nicht so – und das hat handfeste Gründe.

Der erste Grund ist die Frage:

Wer ist der Adressat eines Protests gegen Überwachung?

Es gibt praktisch nur zwei Möglichkeiten:

  1. Wir demonstrieren gegen die US-Regierung und andere internationale Überwacher.
  2. Wir demonstrieren gegen die eigene Regierung und Parteien hierzulande, die für Überwachung stehen.

Diese Unklarheit führt dazu, dass wir in eine Position der Schwäche geraten. Wir wissen nicht, gegen wen wir demonstrieren sollen. Und ob Protest überhaupt etwas bewirken kann. Bisherige Proteste, auch der kommende vom 27. Juli, fokussieren eher auf die USA.

Ich bin aber fest davon überzeugt, dass wir uns auf die Bundesregierung konzentrieren sollten. Das hat folgende Gründe:

  • die Chancen, dass Demonstrationen und Proteste hierzulande, etwas in den USA bewegen, sind minimal
  • es ist die Bundesregierung, die den Schutz der Grundrechte garantieren muss. Die Bundesregierung hat dafür bislang überhaupt keine Lösungsansätze gebracht
  • die Bundesregierung klärt nicht auf, sie verschleiert, spielt auf Zeit und kollaboriert mit den überwachenden Staaten bzw. setzt selbst solche Methoden ein
  • in Deutschland ist Bundestagswahlkampf, da ist Protest schön brisant, die Parteien beobachten ganz genau, was passiert
  • wir haben die Chance, dass eine erstarkte Piratenpartei, sobald sie in den Umfragen die 5%-Hürde knackt, den Wahlkampf zusätzlich aufmischt
  • die Bundesregierung, aber auch die SPD stehen selbst für Überwachungsprojekte wie Vorratsdatenspeicherung oder Bestandsdatenauskunft. Das momentane Problembewusstsein für Datenschutz/Grundrechte sollten wir jetzt nutzen, um hier Überwachungsgesetze zu bekämpfen.
  • Wir können diejenigen unterstützen, die in der SPD für eine Ablehnung der Vorratsdatenspeicherung kämpfen. Die werden nämlich immer mehr, sie werden aber bislang von der Verfechtern einer großen Koalition (Parteispitze) ausgebremst.
  • wir müssen erst hier Grund- und Freiheitsrechte ausweiten und einen besseren Datenschutz durchsetzen, denn vor der eigenen Haustüre kehren macht mehr Spaß als immer auf die „bösen Amis“ zu zeigen!

Der zweite Grund für die noch moderaten Proteste ist die  unauffällige und sehr technische Art der Überwachung. Die Überwachung ist wenig greifbar und hochkomplex. Es sind eben nicht die (ehemaligen) Freundinnen aus dem Sportverein, die von der Stasi angeworben wurden und Informationen an den Geheimdienst weitergeben. Auch wenn das Ausmaß der gesammelten Daten die Stasi wie einen datensparsamen Überwachungsdienst aussehen lässt, können sich die meisten Menschen nicht genau vorstellen, was da eigentlich passiert. Zudem war der Themenkomplex „Freiheit und Grundrechte“ immer schon abstrakt und schwierig zu erklären.

Abhilfe gegen dieses Problem ist Information, die deutlich macht, wie diese Überwachung beschaffen ist, wie sie gesellschaftlich wirkt und warum wir alle davon betroffen sind. Hier sind wir als Netzaktivistinnen und Netzaktivisten gefragt, die Komplexität zu übersetzen und zu reduzieren. Einfache Bilder schaffen statt Nerdsprech. Konkret heißt dies: mit Nachbarn und Arbeitskolleginnen reden, Artikel verbreiten, erklären, usw. Ein paar gute Artikel/Videos, die dabei helfen könnten, hier in der Liste:

3 Kommentare

  1. martin däniken says:

    Wenn die NSA keine Daten zum Verarbeiten hätte weil wir alle die moderne Nachrichtenversendetechnik boykottieren würden? Denn Verschlüsselung ist nicht der Bringer,weil in Kürze alles verschlüsselte entschlüsselt sein wird.Nennt sich Fortschritt,so ein Pesch!

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