Verletzung der Pressefreiheit: Polizei will Abweisung der Klage im Podcast-Bus-Verfahren

Foto: Metronaut

In eigener Sache: Metronaut klagt beim Verwaltungsgericht Lüneburg wegen „Einschränkung der Pressefreiheit durch Sicherstellung eines KfZ nebst mobilen Tonstudio“ gegen das Land Niedersachsen. Polizeibeamte einer Hamburger Einheit hatten am Rande des Castor-Transportes 2011 den Podcastbus von Metronaut samt Equipment beschlagnahmt.

Zur Klage erreichte uns mittlerweile eine Stellungnahme der Polizei, die vor Ungereimtheiten strotzt. Erwartungsgemäß fordert die Polizei in ihrem Schreiben eine Abweisung der Klage durch das Gericht. Redakteure von Metronaut hatten im Juni 2012 Klage eingereicht und wollen die Rechtswidrigkeit der Maßnahme feststellen lassen. Die Beschlagnahme von Bus und Podcastequipment stellte eine massive Einschränkung des Grundrechts auf Pressefreiheit dar und verhinderte die Ausübung der journalistischen Tätigkeit.

Die beiden Redaktionsmitglieder hatten vor und während der Polizeimaßnahme immer wieder darauf hingewiesen, dass sie Presseaufgaben für Metronaut.de und “Radio Freies Wendland” wahrnehmen und im Rahmen eines Reportagepodcasts unterwegs seien. Es gab sogar einen in der Windschutzscheibe angebrachten Verweis, der das deutlich machte.

22 Aktenseiten zur Beschlagnahme

Während wir nach der Beantragung der Akteneinsicht noch davon ausgingen, dass keine Protokolle des Vorgangs existieren würden, stellt sich jetzt heraus, dass es doch schriftliche Aufzeichnungen zum Fall gibt. Diese wurden dem Anwalt der Redakteure nun auf 22 DIN A4-Seiten übermittelt. Interessanterweise fehlt in den Akten die schriftliche Auswertung einer Videoaufnahme, obwohl die Polizei selbst in ihrer Erwiderung darauf Bezug nimmt.

Insgesamt sind die Erwiderung und Zeugenaussagen der Polizei nach Einschätzung der Metronaut-Redaktion voll von Unterstellungen, Tatsachenverdrehungen, haltlosen Behauptungen und Ungereimtheiten. Die Beschlagnahme wird mit einer „gegenwärtigen Gefahr“ begründet. In der Akte versucht die Polizei gleich zwei solcher Gefahren zu konstruieren: sie behauptet einerseits, die Redaktionsmitglieder hätten mit ihrem Podcast-Equipment den Polizeifunk stören und andererseits gewalttätige Proteste koordinieren und durchführen können.

In der Akte sehen die „Belege“ dieser Gefahr dann so aus:

Eine sendefähige Satellitenverbindung konnte ich am oder im Fahrzeug nicht feststellen, schien jedoch technisch ohne Probleme schnell anschließbar zu sein.

Richtig daran ist, dass der Beamte feststellte, dass die Redaktionsmitglieder nicht über eine Sendeeinheit verfügten. Gänzlich willkürlich und ohne jede Stütze im vorliegenden Sachverhalt ist jedoch dann die Behauptung, dass eine ganz offensichtlich nicht vorhandene Sendeeinrichtung schnell hätte angeschlossen werden können.

Oder es wird einfach behauptet:

Die fest verbauten umfangreichen Gerätschaften hätten eingesetzt werden können, um eine Störung bzw. Beeinträchtigung des polizeilichen Funkverkehrs hervorzurufen.

podcast_studio

‚Diese angeblich fest verbauten „umfangreichen Gerätschaften“ waren übrigens ein Tascam-Mischpult, 2 Headsets und 3 Mikrofone sowie zwei Zoom-Handheld-Recorder und 2 Laptops, die auf einer halben Bierbank im Auto standen. Die Bierbank war mit schnell zu öffnenden Spanngurten am Vodersitz festgemacht. Die Beamten wurden von den Redakteuren mehrfach darauf hingewiesen, dass es sich lediglich um ein mobiles Aufnahme- und Schnittstudio handelte und nicht um einen Sender. Die Beamten nahmen dies vor Ort zur Kenntnis und strichen den Hinweis auf „Radiosendeutensilien“ entsprechend aus dem Beschlagnahmprotokoll/Kurzbericht und ersetzten ihn durch das Wort „Aufnahmegeräte“.

Auf dem Protokoll strichen die Polizisten das Wort "Radiosendeutensilien" und ersetzten es noch durch "Aufnahmegeräte"

Auf dem Protokoll strichen die Polizisten das Wort „Radiosendeutensilien“ und ersetzten es noch durch „Aufnahmegeräte“. In späteren Aussagen sollen die Aufnahmeutensilien plötzlich zur Störung des Polizeifunks geeignet sein.

Zahlreiche Ungereimtheiten

Die Polizisten wurden ja schon vor Ort von Rechtsanwälten des Legal Teams gefragt, ob sie nicht mildere Mittel – also die Beschlagnahme von den angeblich so gefährlichen technischen Gerätschaften – einsetzen könnten. Das lehnten sie ab und beschlagnahmten – wie bekannt – alles.

In der Akte liest sich das dann so:

Die Sicherstellung war verhältnismäßig. Sie war geeignet, um das Abhören bzw. Stören des Polizeifunks zu verhindern. Ferner war sie erforderlich, da es kein milderes Mittel gab. Die technischen Einrichtungen und Verkabelungen allein sicherzustellen hätten einen erheblichen Zeitaufwand und technische Fähigkeiten erfordert.

Bei den „technischen Einrichtungen“ handelte es sich um eine Konstruktion, die innerhalb von etwa fünf Minuten hätte abgebaut werden können. Da war eine kurze 1,10 Meter Klapp-Bierbank im Bus aufgestellt und darauf ein Mischpult, das mit fünf Kabeln mit herkömmlichen XLR- und Klinkensteckern mit Kopfhörern, Mikrofonen und Headsets verbunden war. Jeder Laie hätte das abbauen können.

Dieser Stil zieht sich dann so fort in den Aussagen und Protokollen der Polizisten, die nach Klageeinreichung im Juni, sieben Monate nach der Beschlagnahme, dann auftauchten. Der Gipfel der Aussagen ist dann diese:

Der Vorschlag von EPHK **** [Einsatzleiter, Anm. der Redaktion], LBP3, gemeinsam die Geräte in Augenschein zu nehmen, um weitere polizeiliche Maßnahmen abgestuft möglich zu machen, ignorierten beide. Keiner der Personen zeigte sich kooperativ. Wären die im Fahrzeug befindlichen Geräte tatsächlich nur für die behauptete Presseberichterstattung vorgesehen, hätte dies seitens der beiden Herren leicht gegenüber EPHK **** plausibel gemacht werden können.

Genannter EPHK **** war niemals vor Ort. Der Einsatzleiter hat nie mit einem der Redaktionsmitglieder gesprochen, tut jetzt aber so, als hätte er hier mäßigend eingewirkt und mildere Maßnahmen vorgeschlagen. Das Gegenteil war der Fall: Als die von den Redakteuren beauftragten Rechtsanwälte vor Ort mit dem Einsatzleiter sprechen wollten – um ihm eben genau jene milderen Mittel vorzuschlagen – wurden sie schroff abgewiesen. Und jetzt will dieser besagte Einsatzleiter vor Ort gewesen sein und behauptet, das getan zu haben, was die Anwälte unserer Redaktionsmitglieder eigentlich bei ihm erreichen wollten.

Und dann versucht die Polizei natürlich in Abrede zu stellen, dass die beiden Redaktionsmitglieder Pressevertreter seien:

Die Prognose, dass die Kläger sich auch tatsächlich so [Störung des Polizeifunks, Koordinierung von gewalttätigen Aktionen, Anm. der Redaktion] verhalten könnten, folgte aus ihrer Haltung während der Kontrolle. Zur Technik befragt, teilten sie zunächst mit, technikinteressiert zu sein. Als bei der Durchsuchung immer mehr technische Geräte und Zubehör gefunden wurden, verweigerten beide Kläger die Beantwortung von Fragen zu Geräten. Erst dann gaben sie an, Pressevertreter zu sein.

Auch diese Aussage trifft nicht zu. Zu keinem Zeitpunkt haben die Redaktionsmitglieder angegeben „technikinteressiert“ zu sein. Warum auch? Zudem wiesen sie die Polizeibeamten bereits zum Anfang der Kontrolle darauf hin, dass sie Pressevertreter seien. Ein frühzeitiger Hinweis auf die Pressevertretereigenschaft ergibt sich auch aus dem Polizeibericht des Beamten ***** (Name von der Redaktion geschwärzt), in dem des eingangs heißt:

Beide Personen gaben zunächst an, als Pressevertreter tätig zu sein […]

Schöne Widersprüchlichkeiten, die sich da auftun. Leider stärkt der ganze Vorgang nicht gerade das Vertrauen in ein rechtsstaatliches Vorgehen der Polizei.

Schwerer Eingriff in das Grundrecht auf Pressefreiheit

Mal abgesehen davon, dass die Redakteure nachweislich vor Ort Presseaufgaben wahrnahmen (siehe Beiträge auf Radio Freies Wendland und in diesen Podcasts 1,2,3,4) bleibt weiterhin absolut unklar, wie von einem Tascam-Mischpult, 2 Headsets und 3 Mikrofonen sowie zwei Zoom-Handheld-Recordern und 2 Laptops, eine oben beschriebene Gefahr ausgehen soll. Es handelt sich hier um für Radio- und Podcastproduktionen übliches Handwerkszeug. Das haben die beiden betroffenen Redaktionsmitglieder auch mehrfach der Polizei während der Maßnahme erklärt.

Ein Audiomischpult. Für die Polizei eine gefährliche technische Einrichtung.

Wir finden es verstörend, dass Journalisten und Blogger durch solche polizeilichen Maßnahmen nicht nur an ihrer Arbeit gehindert, sondern auch noch in die Nähe krimineller Handlungen gestellt werden.

Auch der Rest der vorliegenden Polizei-Aufzeichnungen, die Aussagen von Polizisten, ein behördeninterner (geschwärzter) Mailverkehr und die Stellungnahme für das Gericht sind nach Einschätzung der Redaktion gespickt mit weiteren Tatsachenverdrehungen und Unterstellungen. So wird behauptet, dass unsere Redakteure vor der Beschlagnahme auf der Fahrt angehalten worden wären. Klingt nach mehr Action und Gefahr. Tatsächlich standen sie mit leerer Starterbatterie am Rande des Protestcamps und bereiteten gerade ihr Frühstück zu.

Klage braucht Öffentlichkeit

Wir sehen in der Stellungnahme der Polizei den Versuch, die undemokratische und unverhältnismäßige Maßnahme gegen Pressevertreter zu rechtfertigen und das Verwaltungsgericht in Lüneburg dazu zu bewegen, diesen schweren Eingriff in das Grundrecht auf Pressefreiheit, erst gar nicht als Klage zuzulassen.

Die beiden Redaktionsmitglieder haben unterdessen in Zusammenarbeit mit einem Anwalt, eine erneute klarstellende Erwiderung an das Verwaltungsgericht Lüneburg geschickt. Dort wird demnächst entschieden, ob die Klage angenommen wird. Ein Abweisen der Klage wäre nach Ansicht der Redaktion ein Skandal.

Als Journalisten sind wir außerdem der Überzeugung, dass sich jeder Versuch, die Pressefreiheit zu beschränken, immer gegen die Presse und die freie Berichterstattung als Ganzes richtet. Dies zeigen auch die zahlreichen weiteren dokumentierten Behinderungen der Presse während des Castor-Transportes.

Wir freuen uns deshalb über Berichterstattung aller Art und leiten Eure/Ihre Anfragen an die Redakteure weiter.

Update 25.11.2012:
Radio Corax hat diesen Artikel für „Nachrichten aus der beschädigten Welt“ vertont. Danke hierfür.


Vielen Dank für Eure bisherigen Spenden in Höhe von mehr als 1500 Euro, die für den Fall beim EA Wendland eingegangen sind. Sie decken die bisherigen Anwalts- und Gerichtskosten, wenn wir nicht noch in weitere Instanzen müssen. Es gibt natürlich weiterhin das Spendenkonto des EA Wendland, für das ihr spenden könnt. Das Geld wird dann für andere Verfahren benutzt, die auch unterstützenswert sind:

Volksbank Clenze-Hitzacker
Ermittlungsausschuss Wendland
BLZ 258 619 90
Konto 129 45 300

24 Kommentare

  1. Armin says:

    Wer ist denn der Empfänger für die Kontoverbindung – einfach nur Metronauten oder eine Person?

    • John F. Nebel says:

      Empfänger ist der „Ermittlungsausschuss Wendland“. Durch das Stichwort „Podcastbus“ wird die Spende der Unterstützung unseres Verfahrens zugeleitet. Wenn ihr einfach so an den Ermittlungsausschuss (der wichtige Arbeit im Wendland macht) spenden wollt, müsst ihr das Stichwort weglassen.

  2. Hubert Burkert says:

    bezüglich der frage ob es mit dem equipment möglich sei den polizeifunk abzuhören und zu stören, hätte seitens der beamten ein anruf bei der „bundesnetzagentur“ genügt.

    diese behörde ist nämlich unter anderem für solche fälle da, und sogar rund um die uhr erreichbahr, und immer mit technisch versiertem personal besetzt. die hätten innerhalb von wenigen minuten noch am telefon klargestellt das man mit einem mischpult nichts stören kann.

    und selbst wenn der, podcast bus, ne übertragungsanlage gehabt hätte, also ein ü-wagen gewesen wäre, mit satelliten-uplink, dann hätte der BnetzA. mitarbeiter dem polizisten erklärt das satellitenübertragungen auf frequenzen ablaufen die so weit vom polizeifunk entfernt sind, das die nichtmal den polizeifunk stöhren könnten wenn sich der polizist mit seiner funke in die satelitenschüssel setzt.

    PS – ich bin lizensierter Amateurfunker (DO5HBA) daher kenne ich mich aus.
    von einem polizisten der sich anmasst solch eine massnahme mit funkstörungen zubegründen erwarte ich eigentlich ein mindestmass an sachvrstand, oder zumindest sollte er wissen wen er konsultieren kann, und muss, bevor er solch eine massnahme mit funkstöhrungen begründet.

  3. Ich denke, dass das die Jungs von „Was Mit Medien“ das auch interessieren koennte. Die machen eine Radiosendung/Podcast rund um Mediales in Deutschland resp. dem deutschsprachigen Raum.
    http://www.wasmitmedien.de/

  4. dot tilde dot says:

    könnte es sich bei dem vermerk im protokoll, beide personen hätten zunächst angegeben, als pressevertreter tätig zu sein, auch um eine panne handeln?

    .~.

  5. Gin Nobel says:

    Ich finde es unerträglich wie hier die Firma Tascam in linksradikale Umtriebe reingezogen wird.

  6. nimrod says:

    bekomme ich eine quittung über die spende? kann ich doch bei der steuer mit einreichen. thx

  7. Nomad31 says:

    die zusage anonymisierter spenderlisten wäre schön.
    warum sollte wer spenden ohne wenigstens später eines ihrer/seiner pseudo im www wiederzufinden?
    konkret denke ich da an den fall klehr vs kompa am amtsgericht hamburg.

    wir sehen uns in Grohnde

  8. esox says:

    nur mal so als interressierter fastjurist:
    was fuer eine klageart waehlt ihr denn?
    feststellungsklage? fortsetzungsfestellungsklafe? verpflichtungsklage?

  9. Heinz S says:

    Gibt es eine Spendenuhr?
    Welcher Betrag wird benötigt? Wo steht man aktuell?
    Mir ist das so noch etwas intransparent.

    • John F. Nebel says:

      Wie oben steht: Kommt mehr Geld als benötigt rein, fließt das Geld in andere Verfahren im Wendland. Der Ermittlungsausschuss Wendland macht das seit zig Jahren und es ist ja nicht so, dass nicht auch andere Menschen dort die dunkle Seite des Staates zu sehen bekommen. Von dem her ist Euer Geld gut angelegt, wenn es ,mehr wird als für das Podcast-Bus-Verfahren gebraucht wird. Unabhängig davon fragen wir jetzt mal den Spendenstand an – und geben das dann hier durch.

  10. Robby says:

    Und was ist jetzt aus der Klage geworden?

  11. sys. says:

    Habt ihr euch mal mit dem Medienmagazin ZAPP! in Verbindung gesetzt? Die sind an solchen Stories immer interessiert.

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